Das Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr ist das dritte Berufsblasorchester, das ich hier vorstelle. Moment, stimmt nicht ganz: Das Ausbildungsmusikkorps in Hilden ist genau genommen kein Berufsblasorchester, sondern die Ausbildungsstätte der Militärmusik in Deutschland. Nachdem ich dem Heeresmusikkorps Ulm aus persönlichen Gründen drei Teile widme und dem Luftwaffenmusikkorps Münster zwei Teile, folgen als dritte „Berufsblasorchester“-Vorstellung zwei Blogbeiträge über das Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr. In diesem ersten Teil gebe ich euch einen Einblick in die Geschichte. Ihr merkt: Das Ausbildungsmusikkorps unterliegt seit seiner Gründung einem stetigen Wandel – sowohl räumlich als auch in den Ausbildungsinhalten.
Vom Ausbildungszug zum Ausbildungsmusikkorps
Als ich vor einigen Monaten in Hilden anfragte, ob ich die Geschichte und die Ausbildung in meinem Blog porträtieren darf, bat ich um Informationen zur Historie beziehungsweise um die Orchesterchronik. Oberleutnant Paul Stöher, Musikdienstoffizier beim Ausbildungsmusikkorps und zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, fasste mir die Geschichte mit Hilfe der Publikation „500 Jahre Militärmusikgeschichte. Das Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr. Eine Dokumentation“, herausgegeben von Kurt Ringelmann, Wolfgang Steinmetz, Manfred Heidler und Walter Ratzek aus dem Jahr 1999, zusammen.
Als er mir das fertige Skript zuschickte, stellte ich fest: Nur ein Blick in mein (unübersichtliches und nicht nach Alphabet sortiertes) Bücherregal hätte genügt um festzustellen: Der arme Herr Stöher hätte sich die Arbeit sparen können, denn dieses Buch liegt dort seit über 20 Jahren. Ich hatte es damals zum Abschied nach meinem viereinhalbmonatigen Unteroffizierlehrgang als Geschenk bekommen – und leider vergessen.
Die Geschichte mit Hilfe der Dokumentation
Ich möchte mich deshalb nicht mit fremden Lorbeeren schmücken, nehme die Zusammenfassung zur Hilfe und bedanke mich bei Oberleutnant Paul Stöher. Auch für die Führung durch das Gebäude, das gemeinsame „Durchwühlen“ der analogen Fotos und das anschließende Einscannen.
Musiker verzweifelt gesucht
Personalmangel war der Grund, weswegen 1959 der Inspizient der Musikkorps der Bundeswehr (damals Wilhelm Stephan, Herausgeber der Sammlung „Deutsche Armeemärsche“) den Antrag stellte, eine Ausbildungseinheit aufzustellen. Der Bedarf an Musikern (Musikerinnen bei der Bundeswehr gibt es erst seit 1991), um die Stellen der Musikkorps zu füllen, wurde nicht gedeckt. Viele Bewerber mussten zudem wieder nach Hause fahren, weil sie nicht die geforderte Qualität mitbrachten.
Ausbildungsmusikkorps Siegburg
Anfang April 1960 wurde der Antrag genehmigt und zum 1. Juli 1960 das Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr in Siegburg aufgestellt. Leiter der Einheit war Hauptmann Ludwig Kühlechner, dem als Stellvertreter der damalige Oberstabsfeldwebel und spätere Oberstleutnant Joseph Hoser zur Hand ging. Alle Fotos der Leiter findest du unter diesem Link.
Ringelmann, Steinmetz, Heidler, Ratzek (Hg.): 500 Jahre Militärmusikgeschichte. Das Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr. Eine Dokumentation, Bonn 1999, S.43.
„Die Aufstellung des Ausbildungsmusikkorps in Siegburg erfolgt in einem sehr bescheidenen Rahmen: 50 Schülerstellen, keine eigenen Musikinstrumente, wenig Stammpersonal, behelfsmäßige Unterkunft. Dennoch ist Major Deisenroth sehr zuversichtlich. Er stellt in den ersten Jahren seine pädagogischen Erfahrungen zur Verfügung, erarbeitet den Ausbildungsplan, engagiert die Lehrkräfte aus Köln und behält die Oberaufsicht über das Ausbildungsmusikkorps. Das Stabsmusikkorps hilft mit Noten und Personal aus, die Instrumente müssen diejenigen Musikkorps ausleihen, zu denen die Schüler später hinkommen. Die Ausbildung dauert im allgemeinen 12 Monate; sie setzt eine vierjährige Verpflichtung voraus.“
Ausbildungsmusikkorps Hangelar?
Auf dem damaligen Aufstellungsbefehl steht: „Siegburg ist nach dem derzeitigen Stand der Planung nur Zwischenunterkunft. Als Endstandort ist Hangelar vorgesehen.“ Heute sucht man in Hangelar (laut Google Maps bei St. Augustin) vergeblich nach einem Ausbildungsmusikkorps. Immerhin fand die Ausbildung neun Jahre in Siegburg statt, erst zum 1. Mai 1969 zog das Ausbildungsmusikkorps in die Waldkaserne nach Hilden.
Häufiger Chefwechsel in der Anfangszeit
In der Siegburger Zeit gab das Ausbildungsmusikkorps 1961 sein erstes Konzert und unterstützte das Stabsmusikkorps ab und an bei Konzerten und Fernsehaufnahmen. Bis kurz vor dem Umzug nach Hilden wechselten die Leiter des Ausbildungsmusikkorps häufig. Ersterer „längerer“ Chef war Oberstleutnant Fritz Wintermann. Er leitete das Ausbildungsmusikkorps von 1967 bis 1976.
Neues Ausbildungskonzept
1973 unternahm das Ausbildungsmusikkorps seine erste Konzertreise zur Nachwuchsgewinnung in den Raum Aschaffenburg, da 1975 ein neues Ausbildungskonzept an den Start ging. Es beinhaltete ein Studium an der Hochschule für Musik Rheinland, beim Robert-Schumann-Institut Düsseldorf, und wurde in drei Ausbildungsabschnitten durchgeführt.
Geburtshelfer des Ausbildungskonzepts
Diese Neufassung der Ausbildung wurde vom Bundesministerium der Verteidigung, dem Dezernat Militärmusik, dem Berufsförderungsdienst der Bundeswehr, Prof. Dr. Helmut Kirchmeyer als Vertreter der Hochschule und von Oberstleutnant Dr. Bernhard Höfele, der von 1976 bis 1978 Chef des Ausbildungsmusikkorps war, entworfen und strukturiert. Übrigens: Prof. Dr. Helmut Kirchmeyer ist derjenige, der seine historische Instrumentensammlung für das heutige Ausbildungsmusikkorps spendete. Mehr darüber in meinem Text zur Ausbildung.
Der erste Umbau
1978 wird Oberstleutnant Andreas Lukacsy, der spätere Chef des Stabsmusikkorps der Bundeswehr und nachfolgende Leiter Militärmusikdienst, Chef der Einheit. Schon damals wurde der Unterkunftsbereich umgebaut – mit allen erdenklichen Unannehmlichkeiten. Die Lehrgangsteilnehmer „hausten“ zu dieser Zeit verteilt bei anderen Einheiten, die Verwaltung residierte über dem Wachgebäude und die Unterrichte wurden in improvisierten Kabinen und Räumen der ganzen Waldkaserne abgehalten. Im Odeon (heute abgerissen) probte das A-Orchester mit bis zu 120 Musikern.
Wieder eine neues Ausbildungskonzept
1980 erfolgte der Kommandowechsel von Oberstleutnant Lukacsy zu Oberstleutnant Ulrich Hollmann. Unter seiner Leitung durchlebte das Ausbildungsmusikkorps und die gesamte Ausbildung die erste Umstrukturierung, die durch die Veränderungen des Kunsthochschulrahmengesetzes mit Auswirkung auf die militärische Ausbildungskonzeption notwendig wurden. Waren es beim Modellehrgang und den ersten Regellehrgängen nur zwei Semester an der Hochschule, so wurden es zunächst drei und ab dem Lehrgang 14 vier Semester, die am Robert-Schumann-Institut studiert wurden.
Inhalt des damals neuen Ausbildungskonzepts
Die Vorausbildung erfolgte mit einem knapp einjährigen ersten Ausbildungsabschnitt mit Unteroffiziersprüfung (das war das, was ich 2000/2001 absolviert hatte, danach bin ich ins Musikkorps und blieb insgesamt vier Jahre als SaZ 4) und dem 2. Ausbildungsabschnitt, der zur Aufnahmeprüfung an der Hochschule führte. Waren alle Prüfungshürden erfolgreich gemeistert, verließ der Lehrgangsteilnehmer das Ausbildungsmusikkorps mit der künstlerischen Reife und nach dem erfolgreichen Bestehen des militärischen Feldwebellehrgangs erhielt er seine Beförderung und Versetzung in ein Einsatzmusikkorps.
Die ersten Offizieranwärter beim Ausbildungsmusikkorps
In dieser Zeit, ab 1978, begannen die ersten Musikoffizieranwärter beim Ausbildungsmusikkorps ihre Studien in Hilden und Düsseldorf.
1991: Abermalige Modifizierung der Ausbildungsstruktur
1991 wurde Major Michael Schramm Chef der Einheit und mit der Einführung des Zivilabschlusses Vordiplom und der gleichzeitigen militärmusikalischen Qualifizierung zum Musikfeldwebel wurde nicht nur die Ausbildung insgesamt neu strukturiert, sondern auch die Maßnahmen der Berufsförderung neu geregelt. Die militärischen Ausbildungsinhalte des Unteroffizier- bzw. Feldwebellehrgangs wurden ebenfalls mehrmals modifiziert.
1991: Wichtigste Veränderung in der Militärmusik
Im vergangenen Jahr feierte die, meiner Meinung nach, wichtigste Veränderung der Militärmusik ihren 30. Geburtstag: 1991 traten die ersten Frauen ihren Dienst in der bisherigen reinen Männerdomäne Militärmusikdienst an. Heute machen Frauen laut Zentrum Militärmusik rund 20 Prozent der Orchestermusizierenden innerhalb aller Musikkorps aus.
Ausbildungsmusikkorps on Tour
1992 ging das A-Orchester zum ersten Mal in der vorlesungsfreien Zeit der Hochschule auf Konzerttournee. Das erste Konzert fand in Schwandorf in der Oberpfalz statt. Es folgte die Tournee 1993 mit Konzerten in der Düsseldorfer Tonhalle, Bitterfeld, Hilden, Troisdorf und St. Augustin. 1992 stellte sich das Ausbildungsmusikkorps mit dem großen Blasorchester unter Stabführung von Oberstleutnant Michael Schramm, der Big-Band mit Hauptmann Norbert Groß und dem neugebildeten Brassensemble unter Leitung von Oberleutnant Manfred Heidler beim Großkonzert der Bundeswehr in der Beethovenhalle in Bonn vor.
Die Konzerttour 1994 führte nach Frankfurt/Oder, Nabburg, Boxberg und endete in der Stadthalle Hilden. Ein Jahr später gastierte das Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr in Trier, Bamberg, Waldmichelbach, Kaiserslautern und in seiner Garnison Hilden. Nach 4 1/2 Jahren verließ Oberstleutnant Schramm 1995 das Ausbildungsmusikkorps und wurde Chef des Stabsmusikkorps der Bundeswehr in Siegburg.
Neuer Leiter: Die Reisen geht weiter
Major Walter Ratzek übernahm darauf die Führung des Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr. Mit ihm trat bereits der zweite Offizier aus eigenen Reihen in diese Position. Unter seiner Leitung wurden die Konzertreisen fortgesetzt. Besondere Highlights im Jahr 1998 waren ein Konzert im Großen Sendesaal des SFB in Berlin sowie ein Konzert unter Leitung von Professor Wolfgang Trommer und Oberstleutnant Walter Ratzek als Klaviersolisten in der Robert-Schumann-Hochschule. 1999 konzertierten die Musikstudierenden in Uniform in Lennestadt, Bad Arolsen, Mühlhausen in Thüringen, Talheim bei Heilbronn, Schwandorf und Fischach bei Augsburg.
Das Ausbildungsmusikkorps von 1999 bis heute
2001 übernahm Oberstleutnant Robert Kuckertz die Dienstgeschäfte als Chef; ihm folgte Oberstleutnant Reinhard Kiauka im Jahr 2007. Eineinviertel Jahre später trat 2008 Oberstleutnant Prof. Michael Euler seinen Dienst als Leiter des Ausbildungsmusikkorps an. Noch im selben Jahr musste das Ausbildungsmusikkorps temporär in die Bergische Kaserne in Düsseldorf umziehen, da in der Waldkaserne Hilden der Abriss der alten sowie der Neubau der neuen Unterkunfts- und Dienstgebäude anstand. Die Schlüsselübergabe fand am 20. April 2018 statt und am 29. Juni 2018 wurde der neue Campus eingeweiht. Über das neue Gebäude und den neuen Ausbildungsweg lest ihr im zweiten Teil des Ausbildungsmusikkorps unter diesem Link.
Oberstleutnant Euler leitet bis heute das Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr und vor Kurzem wurde er von der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf zum Honorarprofessor ernannt.
Die Leiter des Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr
Eine Auflistung aller bisherigen Leiter. In der Bildergalerie sind nicht alle Personen abgebildet.
- 1960–1962: Hauptmann Ludwig Kühlechner, Vertreter: Oberstabsfeldwebel Joseph Hoser
- 1962–1963: Hauptmann Philipp Sonntag
- 1963–1964: Hauptmann Ernst Müller
- 1964: Hauptmann Joseph Hoser
- 1964–1965: Hauptmann Herbert Domagalla
- 1965–1966: Hauptmann Fritz Wintermann
- 1966–1967: Oberstleutnant Joseph Hoser
- 1967–1976: Oberstleutnant Fritz Wintermann
- 1976–1978: Oberstleutnant Bernhard Höfele
- 1978–1980: Oberstleutnant Andreas Lukácsy
- 1980–1991: Oberstleutnant Ulrich Hollmann
- 1991–1995: Oberstleutnant Michael Schramm
- 1995–2001: Oberstleutnant Walter Ratzek
- 2001–2007: Oberstleutnant Robert Kuckertz
- 2007–2008: Oberstleutnant Reinhard Kiauka
- seit 2008: Oberstleutnant Prof. Michael Euler
Danke für den schönen Bericht und die Fotos über die Entwicklung des Ausbildungungsmusikkorps Hilden.
Ich hätte dazu noch eine Frage: Ist die Broschüre neu erstellt oder ist das die mir schon bekannte Ausgabe?
Sehr geehrter Herr Rahnenführer, herzlichen Dank für Ihre Kommentare und das Interesse an meinen Blogbeiträgen. Ich gehe davon aus, es handelt sich um die Ihnen bekannte Broschüre bzw. Publikation, da sie Ende der 1990er Jahre veröffentlicht wurde. Herzliche Grüße Christine Engel
Danke für den schönen Bericht über das Ausbildungsmusikkorps von seinem holprigen Beginn bis zur jetzigen Zeit in Hilden.
Ich besitze diese Broschüre über das Ausbildung smusikkorps auch die Veränderungen in der Nachwuchsförderung in dem man auch Frauen zugelassen hat. Ich kenne noch die Ansage von seinerzeit noch Chef des SMK Siegburg OTL Dr. Michael Schramm bei einem Konzert in Gummersbach wo er auch für den Nachwuchs für die MK geworben hat und dabei auch die Zulassung von weiblichen Musikerinnen erwähnt hat.
Danke für den schönen Bericht über das Ausbildungsmusikkorps von seinem holprigen Beginn bis zur jetzigen Zeit in Hilden.
Ich besitze diese Broschüre über das Ausbildung smusikkorps auch die Veränderungen in der Nachwuchsförderung in dem man auch Frauen zugelassen hat. Ich kenne noch die Ansage von seinerzeit noch Chef des SMK Siegburg OTL Dr. Michael Schramm bei einem Konzert in Gummersbach wo er auch für den Nachwuchs für die MK geworben hat und dabei auch die Zulassung von weiblichen Musikerinnen erwähnt hat.
Danke für den Beitrag.
War selber 1972/73 in Hilden.
Damals 12 Monate.
War sehr toll, aber kein Vergleich zu Heute.
vielleicht lesen Kameraden aus der damaligen Zeit meinen Komentar und melden sich
Christian Sander