Woodstock Academy: Gemeinsam. Fort. Bilden

Kaum musiziert, kaum im Ensemble zusammengekommen, ein einziges Konzert gespielt und kein Konzert live gehört – das war mein Corona-Jahr. Kaum las ich auf Facebook die Ankündigung der Woodstock-Academy, war klar: Da fahre ich hin. Eine Woche ohne meine Familie, ganz allein nur das tun, was mir ein Jahr gefehlt hat: Musik. In der Arbeit checkte meinen Urlaub, plante mit der Familie und an dem Tag, an dem die Anmeldung freigeschaltet wurde, meldete ich mich sofort an, da ich Angst hatte, die Veranstaltung wird so schnell ausgebucht sein wie das Woodstock-Festival selbst. Was aber dann nicht der Fall war. Von 22. bis 29. August 2021 verbrachte ich meine Zeit in den Kitzbüheler Alpen. Wie ich die Woche erlebte, welche positiven Dinge ich mit nach Hause nahm, welchen großen Fehler ich beging und wie ihr es besser machen könnt, lest ihr hier. Wichtig: Ich habe keinen Vergleich zum Bläserurlaub in Bad Goisern. Da war ich noch nie.

Woodstock Academy
Mein Woodstock Academy Teilnehmerausweis. Foto: Christine Engel

Die Premiere der Woodstock Academy: Meine Erfahrungen

22:43 – das war die verhängnisvolle Zahl für mich in den Kitzbüheler Alpen bei der Woodstock Academy. Um 22.43 Uhr fuhr der letzte Zug von Kirchberg nach Westendorf. In Kirchberg fanden fast alle Abendveranstaltungen und alle für mich relevanten Holzbläserworkshops statt – in Westendorf (hohes Blech) hatte ich meine Unterkunft. Ich war ohne Auto angereist. Merkt ihr was? Macht es nicht so wie Christine. Seid schlau! Macht es wie Klarinettist Peter aus Oberösterreich: „Ich hatte mir erst alle Kurse gebucht, dann eine Landkarte genommen und jeden Ort meiner Kurse und der Abendveranstaltungen markiert. Anschließend buchte ich genau in der Mitte meine Unterkunft.“

Die Unterkunft: Sie muss mit Bedacht gewählt werden

Zuerst die gute Nachricht für alle Umweltbewussten: Die Woodstockacademy ist ohne Auto möglich. Es ist umständlich, man ist ein wenig ausgeschlossen, nach einer Woche schleppt man sich selbst an einem Koffer mit B- und Es-Klarinette eine schmerzende Schulter – aber es ist möglich und man kommt automatisch zu viel Bewegung. In der Unterkunft erhält man eine Gästekarte und die inkludiert den Zug, der zwei Mal pro Stunde fährt. Westendorf-Brixen-Kirchberg-Kitzbühel. Von Westendorf nach Kirchberg sind es sieben Minuten Fahrzeit mit dem Zug.

Der Bergtourismus: Alles inklusive

Ein Vorteil, den ich in Westendorf hatte: Dort ging die Seilbahn „Alpenrosenbahn“ direkt vor meiner Haustür auf den Berg. Im Woodstockacademyticket enthalten war ein einwöchiges Bergbahnticket, mit dem man alle Bahnen der Kitzbüheler Alpen nutzen konnte. Ich unternahm zwei längere Wanderungen mit grandiosen Ausblick. Die hätte ich wahrscheinlich verpasst, wenn das Bergbahnticket nicht inklusive gewesen wäre.

Woodstock Academy Bergausflug
Auf einer meiner beiden Bergtouren während meines Bläserurlaubs der Woodstockacademy. Foto: Christine Engel

Die Abendveranstaltungen: Super Mix, Eine verpasst

Die schönere Bergbahn vor der Haustür zu haben, ist für Musiker nur ein schwacher Trost. Ich glaube, alle Abendveranstaltungen vor der Haustüre wären mir lieber gewesen. Allerdings vermied ich so den ein oder anderen Kater. Den hatte ich am Morgen nach dem Musikantentreffen am Montagabend im Lifthotel Aschauer, nachdem ich mir ein Taxi geleistet hatte (26 Euro, Großraumtaxi, bei mehreren Personen hätte sich der Preis für den Einzelnen reduziert). Dort kamen alle Teilnehmer zusammen, jeder hatte sein Instrument dabei und die Stimmung war grandios.

Junge Musiker bei der Woodstockacademy
Beim Musikantentreffen am Montagabend der Woodstock Academy: Diese sehr junge Truppe, die gegenüber meines Tisches saß, faszinierte mich sehr. Die Vier stammen aus dem örtlichen Musikverein. Foto: Christine Engel
Musikantentreffen
Weitere Impressionen des Musikantentreffens. Foto: Klaus Mittermayer

Im Lifthotel war anscheinend an den anderen Abenden der After-Show-Absacker, aber den bekam ich nur vom Hörensagen mit.  Direkt nach meiner Ankunft am Sonntag besuchte ich die Auftaktveranstaltung in der Arena 365 mit den „Original Woodstock Musikanten“. Das ein oder andere bekannte Gesicht traf ich dort schon, es ging etwas ruhiger zu, aber um 22.15 Uhr war der Abend für mich vorbei, denn zum Bahnhof laufen musste ich schließlich auch.

Bahnhof Kirchthal
22:43 Uhr: Zapfenstreich für mich. Foto: Christine Engel

Höhepunkt für mich persönlich war der Mittwochabend mit dem Konzert des Klarinettenquartetts „Faltenradio“ in der intimen Atmosphäre des Veranstaltungsortes AAART Foundation. Nach so langer Coronazeit muss ich sagen: Die Musik, die hintergründigen Moderationen von Faltenradio und die gediegene Atmosphäre sagten mir persönlich mehr zu als die Musik der am letzten Abend stattfindenden „Woodstock Night“ mit den „Alpenlandler Musikanten“, den „Kaiser Musikanten“ und „Viera Blech“.

Faltenradio
Das Konzert mit Faltenradio. Foto: Klaus Mittermayr

Ich hatte an diesem Abend sehr gute Gespräche, musste mich für die Unterhaltunge aber sehr anstrengen. Die Bands spielten super – aber es war sehr laut und ich war bzw. bin das nicht mehr gewöhnt. Die Woodstock Night hätte als OpenAir auf dem Kirchdorfer Dorfplatz stattfinden sollen, was dieser Veranstaltung gerechter geworden wäre, sie wurde aber wegen des Wetters in die Mehrzweckhalle Arena 365 verlegt.

Die Woodstock Night am Freitagabend. Hier mit den Alpenlandler Musikanten. Foto: Klaus Mittermayr

Verregnet wurde mir auch der Donnerstagabend. Dort hätte ein Markt fußläuifig von meiner Pension stattfinden sollen, auf dem unter anderem „Sax Royal“ die Gäste unterhielt. Es regnete, als würde die Welt untergehen und ich ärgerte mich, dass ich dafür die „Jazz-Night“ in der AAART Foundation hatte sausen lassen. Aber insgesamt: Traditionelle Blasmusik, Tanzlmusi, Klassik, Jazz – vielfältig, alles dabei.

Mein Ensembleunterricht: Klarinettenchor, Klarinettenmusi, Improvisieren leicht gemacht, Blaskapelle modern, MaChlast.

Für den Ensembleunterricht konnte man sich mit seinem jeweiligen Instrument anmelden. Bei der Formation „Original Woodstock Musikanten“ (Dozenten: Hans Gansch, Stephan Hutter, Alexander Wurz) bekam ich keinen Klarinettenplatz mehr. Der war ratz fatz ausgebucht, dafür bei „MaChlast“ und „Blaskapelle modern“.

Original Woodstock Musikanten
Die Original Woodstock Musikanten am Eröffnungsabend. Einen Workshop in deren Stil konnte man auch buchen. Foto: Klaus Mittermayr

Den Klarinettenchor buchte ich als Alternative zur „Altbairischen Blasmusik“, denn der fiel wegen Teilnehmermangels aus. Die ruhige, sympathische Art von Stefan Prommegger (Faltenradio), der diesen Unterricht leitete, gefiel mir hier besonders. Bei der „Klarinettenmusi“ und drei Klarinetten, Ziach, Tuba und Gitarre war ich danach richtig ausgepowert, da Dozent Michael Gruber sehr anspruchsvolle Volksmusikstücke für diese Formation aus seiner Feder mitgebracht hatte. Die Erleuchtung für mich persönlich war „Improvisieren leicht gemacht“ mit Lorenz Raab. Als klassisch ausgebildeter „Notendepp“ war ich immer der Meinung, ich könne das nicht. Erst in jüngster Vergangenheit beschäftigte ich mich theoretisch mit Jazz und Improvisation. In diesen zwei Stunden improvisierte ich zum ersten Mal in meinem Leben vor Menschen. Und Ja: Es war mir egal, was die anderen denken, ich spielte einfach und, das aller beste: Es passte zu den Harmonien. Freude pur.

Meine Workshops: Moderation, Die Es-Klarinette in der Blasmusik, Üben mit Plan, Blattbearbeitung

Von „Mental und Vital“ bekam ich wenig mit. Den Gruppen-Mental-Workshop mit Mona Köppen hatte ich leider einen Tag vorher storniert – wegen der Bahnfahrt und dem Fakt, dass ich wandern gehen wollte. Das Eisbad (Wim Hof Methode) bei Roman Rindberger passte auch nicht in meinen Plan.

sport und blasmusik
Sogar Sport konnte man machen. Foto: Klaus Mittermayr

Einen „großen“ Workshop besuchte ich bei Dominik Glöbl, der uns in seine Moderationsgeheimnisse einweihte und „Blattbearbeitung“ bei Matthias Schorn. „Üben mit Plan“ mit Fidelis Edelmann war ein Workshop, in den ich mich zehn Minuten vor Beginn einschrieb und bei dem wir vier Teilnehmer waren – umso netter gestaltete sich der Workshop. Der für mich ausschlaggebendste Workshop war „Die Es-Klarinette in der Blasmusik“ mit Fidelis Edelmann. Warum? Als Es-Klarinette ist man immer allein, Unterricht hat man als Amateur selten, weil man meist „einfach“ von der B-Klarinette wechselt und der intonatorische Sündenbock ist man sowieso. Diese zwei Stunden unter acht Gleichgesinnten mit Anleitung eines Wahnsinns-Es-Klarinettisten gaben mir ein riesengroßes Paket an Selbstvertrauen wie ich es noch nie in den vergangenen zehn Jahren bekommen habe, seit ich das Instrument besitze. Deshalb war flugs die Einzelstunde „Es-Klarinette“ bei Fidelis gebucht.

Mein Einzelunterricht: Michael Gruber und Fidelis Edelmann

Während am Freitagabend schon die „Woodstock Night“ startete und das Academy-Helfer-Team in der Kirchberger Schule schon alles aufgeräumt hatte, stand ich mit Fidelis noch im Klassenzimmer und wir feilten an meinem g³ auf der Es-Klarinette. Die Woodstockacademy endete für mich mit einer Einzelstunde, sie begann fünf Tage vorher mit einer Einzelstunde. Am Montag bei Michael Gruber, mit dem ich mich zuvor per Email austauschte, was ich eigentlich von der Stunde erwarte. Das wusste ich nämlich nicht so genau. Es endete damit, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben mit jemandem die Konzertstücke für zwei Klarinetten (bzw. Klarinette und Bassetthorn) von Felix Mendelssohn-Bartholdy musizieren konnte. Das war super schön und hat sich gelohnt.

Die Teilnehmer der Woodstock Academy: Motivation pur

Circa 300 Musikerinnen und Musiker. Es wäre Platz für mehr gewesen, aber ich denke, das wird sich über die Jahre entwickeln. Manchmal war der Mangel spürbar, gerade bei den Ensembles fehlten das ein oder andere Instrument. Nach meinem Bauchgefühlt kamen die meisten Teilnehmer aus Österreich und an zweiter Stelle aus Bayern. Ich begegnete Menschen aus Nordrhein-Westfalen, aus Niedersachsen und aus Thüringen. Es war nicht anders zu erwarten: Alle waren total motiviert, man hatte den gleichen Nenner und der Bläserspirit war da. Klar, sonst hätten diese Menschen diesen Urlaub nicht gebucht.

Die Dozenten der Woodstock Academy

Orchestermusiker, Hochschuldozenten, die üblichen Verdächtigen der Blasmusikszene, Mentaltrainer und sogar Sportler – insgesamt über 50 Dozenten.

woodstock stefan huber
Hier ein Workshop mit Tubist Stefan Huber. Foto: Klaus Mittermayr

Die Organisation der Woodstock Academy: Tip Top

Über 86 Workshops und Kurse waren im Angebot der Woodstockacademy. Beim ersten Blick auf die Homepage dachte ich mir: Wer soll da durchblicken? Aber man kommt sehr schnell rein und das System ist gut organisiert. Ohne Smartphone geht es nicht: Man hat die Homepage als App auf dem Handy und kann sich darüber noch kurzfristig kinderleicht in alle Kurse einbuchen, in denen ein Platz frei ist. Das System hat dein Instrument erfasst. Zum Beispiel: Ich möchte den Kurs Formation „MaChlasht Level 2“ besuchen. Die Klarinettenplätze sind alle vergeben, es sind aber noch fünf Tuba-Plätze frei. Dann zeigt es bei mir an „Kein Platz mehr zur Verfügung“, weil in meinem System keine Tuba gespeichert ist. Buche ich mir während der Woche noch eine Einheit, bei der etwas dazu bezahlt werden muss, geht das ebenso über die App und, in meinem Fall, über meine Kreditkarte. Wichtig ist, dass man seine Emails täglich abrufen kann, denn jeden morgen gibt es einen Newsletter mit Neuigkeiten.

Woodstock Helferteam
Das Helferteam hinter den Kulissen. Foto: Klaus Mittermayr

Einmal entfiel einer meiner Kurse wegen Teilnehmermangel. Das bekam ich am gleichen Morgen per Email Bescheid, auch mit der Bitte, den Empfang der Email zu bestätigen. Die zusätzlichen zehn Euro, die ich für diesen Workshop bezahlt hatte, waren direkt auf meiner Kreditkarte gutgeschrieben. Da dieser Zeitslot nun bei mir frei war, sah ich sofort, welche Alternativen es gab. Keine Ahnung, was man an diesem System verbessern könnte. Nichts!

Kosten: Teuer? Günstig? Kann ich nicht beurteilen. Mir war es das wert.

395 Euro inklusive Bergbahnticket, T-Shirt, Hausschuhe, Notentasche und Gruppenworkshops, Vorträge und Konzerte. 10 Euro für zusätzlichen Ensembleunterricht, 49 Euro für Einzelunterricht. 95 Euro für „Bandunterricht“ – wenn ihr mit eurer Band angereist wart. War bei mir nicht der Fall. „Auswendig zu Zweit“ – 69 Euro für zwei Personen. Das hätte mich interessiert, darauf stieß ich aber erst während der Woche und ich hatte niemanden, mit dem ich mich dazu anmelden konnte. Dass ich mich allein anmelde und es stößt eine „Überraschungsperson“ dazu, war nicht möglich. Meine Unterkunft kostete mich 312 Euro inklusive Frühstück.

Hausschuhe Woodstockacademy
Die Hausschuhe, die jeder Teilnehmer tragen musste – mit dem Woodstockacademy Logo. Foto: Christine Engel

Fazit: Woodstock Academy – Gerne wieder

Ich habe das Gefühl, dass für mich mit meinen mittlerweile 40 Jahren und der coronabedingten Menschenentwöhnung so eine Woche die bessere Alternative ist als ein Blasmusikfestival. Außerdem hatte ich lange keinen Unterricht mehr und während meines Alltags fahre ich meine beiden Kinder zu Trompetenunterrichte oder Kieferorthopäden. Besuche ich 45 Minuten irgendetwas für mich, bin ich mit meinem Kopf schon wieder woanders. In dieser Woche war ich nur, und wirklich nur, bei mir ganz allein und meinem Instrument. Allein deshalb habe ich mehr mitgenommen, als wenn ich zu Hause Unterricht besuchen würde.

Ziach
Konzentriert auf eine Sache: Die Musik. Foto: Klaus Mittermayr

Vielleicht wäre es sinnvoll, die Woodstockacademy mit Bad Goisern zu vergleichen. Allerdings findet dieses Event auch im August und September statt und zwei Bläserurlaube hintereinander sind zeitlich und finanziell nicht möglich. Außerdem wäre das direkt hintereinander zu viel Input, den ich dann über das Jahr verarbeiten müsste. Würde eine dieser Wochen ein halbes Jahr später stattfinden, wäre es eine Idee. Aber jetzt, nachdem ich das System Woodstockacademy kenne, weiß, was ich besser machen muss, werde ich hier wohl bei bleiben – als Auszeit für mich. Und auf jeden Fall einer Art „Wellnesswoche“ vorziehen, wie es sonst viele Frauen in meinem Alter machen.  

Kuh Hütte
Besser als Wellness: Woodstockacademy. Foto: Klaus Mittermayr

Das Angebot der Woodstockacademy ist vielfältig und ich glaube, dass ich es fast ein bisschen zu wenig nutzte – aber dann wären aber die zwei Wanderungen entfallen. Zum Bläserspirit: Ich glaube, da brauche ich nicht viel zu sagen. Man geht hin, hat den gleichen Nenner, setzt sich zusammen, musiziert und man merkt gar nicht, dass man eigentlich keinen kennt. Ich glaube: Nächstes Jahr bin ich wieder dabei und werde trotz all den Umständen mit der Bahn anreisen. Nun kenne ich ja die Vorgehensweise von Klarinettist Peter aus Oberösterreich.

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