Das Luftwaffenmusikkorps Münster ist das zweite Berufsblasorchester, das ich hier vorstelle. Nachdem ich dem Heeresmusikkorps Ulm aus persönlichen Gründen drei Teile widme (Teil 1, Teil 2, Teil 3), bekommt das Luftwaffenmusikkorps Münster zwei Teile. In diesem ersten Teil gebe ich euch einen Einblick in die Geschichte dieses Orchesters und ganz unten könnt ihr eine Bildergalerie seiner Leiter betrachten. Der zweite Teil, in dem es um etwas ganz Besonderes beim Luftwaffenmusikkorps Münster geht, könnt ihr lesen, indem ihr auf diesen Link klickt. Gerne hätte ich selbst eine Städtereise nach Münster unternommen, um die Stadt und das Orchester persönlich kennenzulernen. Da der Kalender zum Entstehungszeitpunkt aber Januar 2021 anzeigte, erfolgten die Gespräche und der Informationsaustausch telefonisch und digital.
Das Orchester der vielen Premieren
„Das erste Mal“: Das gibt es beim Luftwaffenmusikkorps Münster oft: Erstes Musikkorps der Luftwaffe, die ersten musikalischen Feldwebelprüfungen der Bundeswehr, erstes Musikkorps mit großen Konzerttourneen, erstes Musikkorps mit einer Musikzugführerin und als 1960 die erste Boeing 707 der Lufthansa präsentiert wurde, wer war dabei? Genau, das Luftwaffenmusikkorps Münster. Wahrscheinlich ist das Luftwaffenmusikkorps Münster zudem noch das erste Musikkorps, das einen Konflikt mit Piloten hatte und dabei als Schlagzeile in der Bild-Zeitung landete. Ist dieser Vorfall vielleicht mit ein Grund, warum das Orchester heute Luftwaffenmusikkorps Münster heißt und nicht: Luftwaffenmusikkorps Uetersen?
Das Erste: Musikkorps der Luftwaffe Nr.1: Aufgestellt in Uetersen
Uetersen – da muss die Allgäuerin erstmal die große Suchmaschine befragen. Uetersen in Schleswig-Holstein liegt 300 Kilometer nördlich von Münster und dort begann am 11. Juli 1956 die Geschichte des Luftwaffenmusikkorps Münster, das damals „Musikkorps der Luftwaffe Nr.1“ hieß. Leiter war Oberleutnant Johannes Schade, ein späterer Musikinspizient der Bundeswehr.
Die 16 Orchestermusiker brachten ihre eigenen Instrumente von zu Hause mit und probten unter freiem Himmel. Das Orchester wuchs von Tag zu Tag, da schon vorher geplant gewesen war, daraus Musiker für die weiteren Luftwaffenmusikkorps (Karlsruhe, Hamburg) zu rekrutieren.
Der Erste: Auftritt des Luftwaffenmusikkorps Münster als „Musikkorps der Luftwaffe Nr.1“
Der erste Musikeinsatz des „Musikkorps der Luftwaffe Nr.1“ fand am 31. Juli 1956 in Husum statt und einige Tage später folgte ein Platzkonzert in Uetersen. Damit endete das Gastspiel in Uetersen. In der Kaserne wurde den Musikern ein Unterkunftsblock zugewiesen, worin Piloten wohnten, die sich weigerten, den Musikern Platz zu machen. Es kam zu Auseinandersetzungen, die der BILD eine Nachricht wert waren. Das Ende des Liedes: Die Piloten durften ihre Unterkunft behalten und die Musiker wurden am 4. September 1956 nach Münster in die „Manfred-von-Richthofen-Kaserne“ verlegt und dem „Kommando der Fliegerhorste Nord“ unterstellt.
Musikkorps der Luftwaffe Nr. 1 wird zu Luftwaffenmusikkorps 3
Die Bevölkerung musste sich mit der neu gegründeten Bundeswehr anfreunden – was eignet sich da besser als Musik? Ende der 1950er Jahre war das Musikkorps viel und lange in ganz Deutschland unterwegs. Von Sylt bis Sonthofen, von Aachen bis Braunschweig. 1958 und 1959 tourte das Orchester sogar zusammen mit dem Heeresmusikkorps I A Göttingen (dem späteren Heeresmusikkorps 3 Lüneburg) und dem Marinemusikkorps Ostsee (damaliger Name) in Kiel durch die Republik. Zu diesem Zeitpunkt war das „Musikkorps der Luftwaffe Nr. 1“ schon umbenannt in „Luftwaffenmusikkorps 3“ – der Name des Orchesters bis 2014.
Die Erste: Schallplattenaufnahme des Luftwaffenmusikkorps Münster
1960 ging es für das Luftwaffenmusikkorps 3 Münster zum ersten Mal in ein Tonstudio und die erste Schallplatte wurde aufgenommen. Eine Premiere der Militärmusik der Bundesrepublik Deutschland fand bei den Westfalen statt: Freilich ist der Austragungsort der musikalischen Feldwebelfachprüfungen seit vielen Jahrzenten das Ausbildungsmusikkorps in Hilden. Die allererste Prüfung dieser Art wurde aber in Münster abgenommen.
Paradigmenwechsel beim Luftwaffenmusikkorps Münster
1964 kam der zweite Chef in der Geschichte des Luftwaffenmusikkorps Münster und er blieb ganze 23 Jahre. Zeit genug, um das Orchester für lange Zeit maßgeblich zu prägen und ihm seine eigene Note zu verpassen. Oberstleutnant Ottomar Fabry stammte aus dem Luftwaffenmusikkorps 2 aus Karlsruhe, wo er als Flötist eingesetzt war. Direkt nach seiner Versetzung gründete er das Tanz- und Unterhaltungsorchester.
Bald darauf wurde dieses Ensemble zu einer Big Band umfunktioniert, die bei nationalen und internationalen Tanzturnieren das Ereignis musikalisch umrahmte. Zusammen mit dem Orchester Hugo Strasser begleitete diese Big Band 1970 die Tanzsportweltmeisterschaft der Amateure.
Swing, Tanz, Big Band: Die Musik wird modern beim Luftwaffenmusikkorps Münster
Später flog diese Big Band für eine Konzertreise nach Sardinien. Nebenbei bemerkt: Wieder eine Premiere: Der erste Flug von Teilen des Orchesters mit der TransAll. Aber nicht nur die Big Band ließ das Tanzbein vieler Menschen schwingen (oder swingen?), denn in Fabrys Zeit formierten sich drei weitere Tanz-Besetzungen: Die Phantoms, die Jetstars und die Sound-Sets.
Zahlreiche außergewöhnliche Auftritte meisterten die Musiker in der blauen Uniform während Fabrys Zeit. Allein zwei Mal flogen Teile des Orchesters in dieser Zeit nach Texas und zum „Royal Nova Scotia International Tattoo“ im kanadischen Halifax.
Exotische Auftritte des Luftwaffenmusikkorps Münster in der Post-Fabry-Zeit
Nach Kanada ging es für das Orchester ein weiteres Mal in seiner Geschichte, nämlich 2018. Aber auch zwischen Fabry und dem heutigen Leiter, Oberstleutnant Christian Weiper, hatte das Musikkorps immer wieder Auftritte, die sich von der Masse der Musikkorpsauftritte abhoben (ohne damit die anderen Auftritte abwerten zu wollen): Die Umrahmung eines Papstbesuches, eine Soldatenwallfahrt nach Lourdes (bei der jedes Jahr ein anderes Musikkorps zu Gast ist), oder das Spiel der Nationalhymnen bei großen Fußball-Länderspielen.
Besuche im Nahen Osten, USA und Großbritannien
1985 ging es zum Sultan von Oman und 2018 spielten zum ersten Mal Musiker eines deutschen Musikkorps in Saudi Arabien und Bahrain. Im selben Jahr gestaltete das deutsche Luftwaffenorchester die „Deutsche Woche“ in New York bei den Vereinten Nationen und ein Jahr später konzertierten die Münsteraner gemeinsam in England mit dem Streichorchester „The Countess of Wessex’s String Orchestra“ der britischen Armee. Das Konzert trug den Titel „In Harmony“ und fand in einer Kirche statt, die im zweiten Weltkrieg von deutschen Bomben zerstört wurde. Das Luftwaffenmusikkorps Münster spielte als erstes deutsches Bundeswehrorchester in dieser Kirche.
Ein Integrationsprozess beginnt
Immer wieder verschwinden Musikkorps von der Karte der Bundeswehr. Am 31.12.2006 wurden das Nachbarorchester des Luftwaffenmusikkorps – das Wehrbereichsmusikkorps II aus Münster – sowie das Heeresmusikkorps 7 aus Düsseldorf aufgelöst und mit einem Schlag war das Luftwaffenmusikkorps um 25 Frauen und Männer reicher. 2014 folgte eine weitere Auflösungswelle in der deutschen Militärmusik. Dabei wurde das Marinemusikkorps Nordsee in Wilhelmshaven außer Dienst gestellt, von woher weitere Musikerinnen und Musiker die Münsteraner ab da bereicherten.
Stürmisches Jahr beim Luftwaffenmusikkorps Münster
Einem stürmischen Seegang muss das Jahr 2014 trotzdem geglichen haben. So wurde das Luftwaffenmusikkorps 3 am 31. März 2014 de facto aufgelöst und am 1. April 2014 als Luftwaffenmusikkorps Münster wieder aufgestellt. Um dem damaligen Chef, Oberstleutnant Timor Chadik, einen Wechsel zur Big Band der Bundeswehr zu ermöglichen, übernahm der damalige zweite Musikoffizier Hauptmann Tobias Terhardt (heute: Leiter Heeresmusikkorps Kassel) die musikalische Leitung.
Die Westfalen und das Meer
Darüber hinaus ging die Reise für die Westfalen öfter ans Meer, denn das Orchester spielte nach der Auflösung des Marinemusikkorps Nordsee zwischen 2014 und 2019 meistens beim Ein- und Auslaufen der Fregatten und anderen Schiffen der Einsatzflottille 2 im Marinestützpunkt in Wilhelmshaven auf. „Das ist immer ein großartiges Feeling, wenn so eine Fregatte nach einem mehrmonatigen Auslandseinsatz wieder in den Heimathafen einläuft“, erzählt der 2015 ins Boot gekommene jetzige Leiter, Oberstleutnant Christian Weiper. „Das ist Gänsehaut pur, ein hochemotionaler Moment. Da stehen hunderte von Familienangehörigen, Freundinnen und Freunde der Schiffsbesatzung an der Pier und die im Hafenbecken liegenden Schiffe begrüßen das einlaufende Schiff mit Signalen aus dem Typhon“, beschreibt er die Szenerie.
Erste Frauen in der damaligen Männerdomäne Militärmusik
Nach Weipers Antritt gab es wieder „ein erstes Mal“ beim Luftwaffenmusikkorps Münster, das die gesamte Militärmusik in Deutschland betrifft: Bestimmte Truppenzeremonielle leitet nicht der oder die Leiter*in bzw. der oder die zweite Musikoffizier*in eines Musikkorps, sondern die oder der Musikzugführer*in – im Dienstgrad Oberstabsfeldwebel. 2016 führte beim Luftwaffenmusikkorps Münster die erste Musikzugführerin einen musikalischen Einsatz einer Musikeinheit der Bundeswehr – in diesem Fall Oberstabsfeldwebel Astrid Kersting.
Fagott und Klarinette spielen im Münsteraner Ensemble übrigens zwei der ersten vier Frauen, die 1991 ihren Dienst bei der Militärmusik der Bundeswehr antraten: Stabsfeldwebel Annegret Berger und Stabsfeldwebel Beate Terbaum.
Die Gegenwart beim Luftwaffenmusikkorps Münster
Seit Weipers Übernahme tritt der „LuftwaffenSound“ in den Vordergrund. Die Musik swingt wieder mehr, vor allem im zweiten Teil, der mehrmals im Jahr wechselnden Konzertprogramme. Auch eine kleine und sehr variabel einsetzbare Jazz-Besetzung wurde wieder gegründet: Die „AirFourceJazz“. Was es aber mit dem „LuftwaffenSound“ genau auf sich hat, lest ihr, wenn ihr auf diesen Link klickt.
In diesem Moment, im Februar 2021, bleibt für das Luftwaffenmusikkorps Münster sowie für alle anderen Orchester zu hoffen, dass es irgendwann wieder weitergeht, damit die Militärmusiker aus Westfalen ihren Luftwaffensound wieder ihrem Publikum präsentieren können. Jetzt würde das Orchester gerade im Aufnahmestudio sitzen und wie jedes Jahr eine CD produzieren.
Nachtrag 07. März 2022: Im Februar 2022 gab es beim Luftwaffenmusikkorps Münster einen Chefwechsel. Oberstleutnant Christian Weiper wechselte zum Musikkorps der Bundeswehr und an seiner Stelle in Münster trat Hauptmann Alexander Kalweit. Er ist Jahrgang 1988 und neben seinem Hauptinstrument Klavier spielt er Akkordeon, Klarinette und Bratsche.
2009 trat er in den Militärmusikdienst der Bundeswehr ein und nahm im Rahmen der Ausbildung zum Musikoffizier das Kapellmeisterstudium auf. Während seiner Studienzeit assistierte Alexander Kalweit bei verschiedenen Produktion an Opern-und Konzerthäusern und dirigierte zivile Orchester. Nach seinem Kapellmeisterstudium folgten erste Verwendungen als 2. Musikoffizier bei Musikkorps der Bundeswehr, Luftwaffenmusikkorps Münster und beim Stabsmusikkorps der Bundeswehr.
Die Leiter des Luftwaffenmusikkorps Münster in chronologischer Reihenfolge seit der Aufstellung des Orchesters und deren Enddienstgrad während ihrer Aktivität in Münster
1956 – 1964: Hauptmann Johannes Schade
1964 – 1987: Oberstleutnant Ottomar Fabry
1987 – 1992: Oberstleutnant Simon Dach
1992 – 1996: Oberstleutnant Hans Orterer
1996 – 2003: Oberstleutnant Lutz Bammler
2003 – 2010: Oberstleutnant Michael Wintering
2010 – 2012: Oberstleutnant Martin Kötter
2012 – 2015: Oberstleutnant Timor Chadik
2015 – 2022: Oberstleutnant Christian Weiper
Seit 2022: Hauptmann Alexander Kalweit
Hinweis: Alle Fotos der Leiter stammen aus ihrer jeweiligen Dienstzeit in Münster. Bis auf das Foto von Johannes Schade. Auf diesem Foto ist er schon Oberst, sein Dienstgrad beim Verlassen des Luftwaffenmusikkorps 3 Münster war Hauptmann. Alle Urheberrechte an den Fotos, sowohl dieser Galerie als auch an den Fotos im Text, liegen beim Luftwaffenmusikkorps Münster.
Sehr schön und wünsche weiterhin viel Erfolg. Zur Ergänzung des LMK2 hat unter OTL O. Fabry viele Auftritte im WDR das Duisburger Hafenkonzert. Sonntags morgen musikalisch unterstützt, sowie viele LPs eingespielt und später CDs unter den nachfolgenden Chefs des LMk3/Münster.
Sehr geehrter Herr Rahnenführer, vielen Dank für Ihren Kommentar und dass Sie den Beitrag gelesen haben. Danke auch für Ihre Ergänzungen und weiterhin viel Freude an der Musik. Herzliche Grüße Christine Engel
Sehr viel Interessantes über die
„Blauen“ aus Münster. Ich selbst
war jahrelang bei den Kollegen in
Karlsruhe, habe aber in den 60er
Jahren einige von Euch gut gekannt.
Sehr geehrter Herr Krämer, wie schön zu hören, dass Sie auch Luftwaffenmusiker waren. Ich, die Autorin des Textes und Betreiberin dieses Magazins, war und bin selbst nicht Musikerin des Luftwaffenmusikkorps Münster, werde Ihre Grüße aber gerne an das Orchester weiterleiten. Herzliche Grüße Christine Engel
Kann und darf man den Beitrag über das Luftwaffenmusikkorps Münster ausdrucken?
Hallo Herr Grawe,
ich schreibe Ihnen eine Email. Herzliche Grüße Christine Engel
Ist es möglich, den Beitrag über das Luftwaffenmusikkorps auszudrucken?
Hallo, wie komme ich an Ihren Bericht vom Heeresmusikkorps Ulm?
Danke und liebeb Grüße
Heinrich Krämer
Sehr geehrter Herr Krämer, ich schicke Ihnen eine persönliche Email mit den Links. Herzliche Grüße Christine Engel