Von mumifizierten Kiwis und
Micky-Maus-Akkorden
Hier folgt der dritte und letzte Teil über das Heeresmusikkorps Ulm – früher Heeresmusikkorps 10 Ulm. Nachdem ich euch hier einen Abriss über die Geschichte des Orchesters und ein Interview mit den beiden aktuellen Chefs (Stand Januar 2021) gepaart mit der Übersicht aller früheren Chefs bereitstelle, folgen nun meine Erinnerungen über meine eigene Zeit im Orchester.
Von Neubrandenburg zum Heeresmusikkorps 10 Ulm also. Nicht München. Es ist der Frühsommer 2001 und ich den Tränen nahe. Ein für Einplanungen zuständiger Soldat sitzt in einem kleinen Kabuff im Ausbildungsmusikkorps mir gegenüber und macht mir freundlich deutlich, dass es mit meinem Wunsch, Klarinettistin für ein paar Jahre im damals noch existenten Luftwaffenmusikkorps 1 Neubiberg nichts wird – das Musikkorps, wegen dem ich seit meinem 16. Lebensjahr überhaupt zur Bundeswehr wollte, obwohl ich später, 1999, ein Praktikum in Garmisch absolvierte.
Nach Grundausbildung, San-Ausbildung und Hilden sollte ich nach Neubrandenburg
„In Neubrandenburg. Da muss ich Klarinetten besetzen“, sagt er fast flehentlich. Neubrandenburg was, Neubrandenburg wo – denkt mein 20-jähriges ignorantes, damals noch sehr im eigenen Saft lebendes Allgäuer-Gehirn. Irgendwo im Osten, Mecklenburg-Vorpommern? Nein, denke ich mir, das geht gar nicht. Das teile ich dem Herrn so mit, nachdem ich wochenlang mit mir gerungen habe, ob ich, wie ursprünglich geplant, die vierjährige Unteroffizierlaufbahn oder die zwölfjährige Feldwebellaufbahn absolviere. Nach vielen innerlichen Konflikten hat das persönliche Bauchgefühl gesiegt und ich entscheide mich für vier Jahre – mit der spannenden Erwartung, was danach kommen und wie sich mein Leben entwickeln würde. Ich habe zu diesem Zeitpunkt hinter mir: Grundausbildung und Sanitätslehrgang I in Straubing (mein Gott, da gibt es auch 1000 Erinnerungen, da könnte ich einen Roman schreiben),
Sanitätslehrgang II im Bundeswehrkrankenhaus Amberg in der Oberpfalz und von Februar bis Juli „musikalischer Unteroffizierlehrgang“ im Ausbildungsmusikkorps Hilden. Quasi eine Art „Vorsemester“ oder so. Gibt es heute nicht mehr.
Es soll im August 2001 noch ein Sanitätslehrgang an der Münchner SanitätsAkademie folgen und dann ab ins Musikkorps. Bloß welches? Der Einplaner schaut mich an und seufzt: „Zur Not könnte ich sie im Heeresmusikkorps 10 Ulm unterbringen. Da ginge auch noch was mit der Klarinette.“
Die Reise ging nach Ulm
Also Ulm. Etwa eine Stunde Fahrt von meinem Elternhaus entfernt, was einem mit 20 Jahren sehr wichtig ist (aus heutiger Sicht: Warum habe ich eigentlich nie, rein aus Stadtperspektive, Berlin in Erwägung gezogen? Wahrscheinlich war ich damals einfach noch zu sehr Land-Ei). Trotzdem war ich zuvor erst einmal in dieser Stadt gewesen und das dortige Musikkorps hatte ich noch nie gehört.
Erinnerungen und Anekdoten an das Heeresmusikkorps 10 Ulm
Was jetzt kommt, sind Erinnerungen, die auf mich niederschwappen und die chronologisch ohne Gewähr niederschreibe, da Erinnerungen, die 20 Jahre auf der humanen Festplatte gespeichert sind, abrufbar, aber ungeordnet sind. Bestimmt sind welche gelöscht. Was ich hier auch nicht nutzen werde, sind Namen. Es sind so viele. Alle abzutelefonieren, um zu fragen, ob ich sie im Text erwähnen darf, ist zu aufwendig.
Warum eigentlich?
Ein weitere Exkurs: Die vier Jahre vergehen wie im Flug. Zu Beginn, wurde ich von vielen gefragt: Vier Jahre! Und danach hast du nichts! Keine Ausbildung, kein Studium! Doch, ich nehme viel aus diesen vier Jahren mit: Erfahrung, Lebenserfahrung, Vernetzung, Einzigartigkeit des Tuns, Pimp my Lebenslauf und: Das gute Gefühl, dem Staat und seiner Gesellschaft, von dem ich das Glück habe, dort geboren zu und dessen Staatsbürger zu sein, was zurückzugeben.
Mein erster Tag beim Heeresmusikkorps 10 Ulm: 3. September 2001
Ich komme also in Ulm an, am Montag, 3. September 2001. Drei Tage später sitze ich zum ersten Mal in einer TransAll, denn wir fliegen nach Rumänien, um eine Musikshow zu spielen. Sibiu heißt der Ort und es existiert nichts mehr von diesem Ausflug außer eine 500-Lei Münze. Ich kenne zu dieser Zeit noch niemanden im Musikkorps und stolpere einfach hinterher – auch zu den Aktivitäten außerhalb der Dienstzeit.
In den nächsten drei Jahren folgen Konzerte und „Stiefelmucken“ (Gelöbnisse, Apelle etc.) in Baden-Württemberg – also eher im zweiten Wortteil (für den ersten Wortteil gibt es damals noch Karlsruhe und Stuttgart) – und Bayern (dem schwäbischen Teil). Ich lerne, dass der Leberkässemmel LKW heißt, dass es auf der schwäbischen Alb gefühlt weniger Autobahnen gibt als in Bayern, dass man gerne das Bier mit dem Tannenzapfen trinkt, obwohl man ab und an über die Landsleute aus Baden frozzelt und dass es in Stetten am kalten Markt wirklich kälter ist.
Stetten am Kalten Markt und die Promis
Überhaupt, Stetten am kalten Markt – da fahren wir oft hin. Auch Samstagvormittag. Da finden dort zu dieser Zeit besonders gern Gelöbnisse statt. Einmal ist dort großes mediales Aufkommen. Der Sohn von Gloria von Thurn und Taxis ist einer der Rekruten, die vereidigt werden. Ab und an fahren wir in eine Kaserne, in der französische und deutsche Soldaten gemeinsam dienen. Keine Ahnung mehr, wo. Die 2. Klarinettenstimme der Marseilleise ist mir heute noch im Gedächtnis – viele Triolen. Einmal sind wir dort und es kommt: Prinz Felipe aus Spanien. An die spanische Hymne kann ich mich nicht mehr erinnern. Das war es mit den Promis. Doch halt: Einmal landet der damalige Verteidigungsminister Peter Struck mit dem Hubschrauber in unserer Kaserne in Ulm – die Wilhelmsburg.
Kurz nach meinem Antritt: 9/11
Zurück in den September 2001. Unsere Rumänienreise ist vorbei und eine Woche später passiert 9/11. Ich sitze an diesem Nachmittag bei meinen Eltern und verfolge die Tragödie live im Fernsehen. Drei Tage später hält das Heeresmusikkorps Ulm mit seinen beiden Bussen nach einem Einsatz an der Straße und wir halten eine Gedenkminute. Die Bundesregierung hat für eine bestimmte Uhrzeit dies für das ganze Land ausgerufen.
Einsatz in Bosnien und im Kosovo
Zum Tag der deutschen Einheit 2001 reisen wir zunächst nach Bosnien zur SFOR und anschließend zur KFOR in den Kosovo. Meine zweite Reise innerhalb weniger Wochen mit einer Transall – weiter geht es mit einer CH 53. Während ich diese Zeilen schreibe, betrachte ich einige Fotos und weiß zunächst nicht mehr, wo das war. In Bosnien oder im Kosovo. Also mache ich mich im Internet auf die Suche und finde heraus, dass diese Bilder in Prizren aufgenommen wurden. Und so kommen die Erinnerungen an das Feldlager Prizren. https://de.wikipedia.org/wiki/Feldlager_Prizren
Nicht nur Klarinette – auch Gitarre
Es naht der Winter mit Advent und Weihnachten. Ich spiele ein wenig Gitarre. Ein damaliger Klarinettist des Heeresmusikkorps 10 Ulm ist ein hervorragender Zitherspieler und leitet die Stubenmusikbesetzung – zusammen mit einem hackbrettspielenden Saxofonisten und einem kontrabassenden Tubisten. Manchmal spielt der damalige Konzertmeister des Orchesters noch Okarina. Der Zitherspieler sagt im November 2001 zu mir: „Spiel mit. Da brauchst du nur die Micky-Maus-Griffe.“ Gemeint sind die meist gebräuchlichen Akkorde auf der Gitarre in der Stubenmusik: C-Dur, G7, F-Dur. Der Begriff bleibt in meinem Gehirn, bis heute sage ich: „Ich kann auf der Gitarre die Micky-Maus-Griffe.“ Wir spielen mit dieser Besetzung einen Teil der Weihnachtskonzerte oder im Bundeswehrkrankenhaus Ulm. Ich habe seitdem nie wieder so ein phänomenales Spiel auf der Zither gehört. Überhaupt: ich habe seit meinem Dienstende nie wieder Stubenmusik gespielt.
Heute leider weniger kleine Besetzungen
Das ist auch ein Punkt den ich sehr vermisse: Kleine Besetzungen, die Bestand haben. Als Amateurmusiker in der zivilen Arbeitswelt spielt man in einem Orchester, wenn man viel Zeit hat vielleicht noch in einer anderen Besetzung. Aber dass man in mehreren Besetzungen unterschiedlicher Musikstile mitwirkt, ist zeitlich unmöglich. Ich erinnere mich noch an ein Klarinettenquartett, mit dem wir einen Auftritt in Sigmaringen bei irgendeiner Offiziergala untermalen. Das ist schön. Noch schöne ist unsere Feier zu Viert danach – mit exorbitant hoher Getränkerechnung. Das muss kurz nach der Euro-Umstellung sein, denn ich erinnere mich, wie wir das in D-Mark umrechnen und schockiert vom Stuhl fallen.
Mein Wohnen im Gebäude des Heeresmusikkorps 10 Ulm
Mein Leben in der Kaserne empfinde ich als sehr angenehm. Ich habe eine Stube (Bundeswehrwort für Zimmer) mit einem Bett, einem Schrank (Spind) und einem Waschbecken für mich allein. Zum Duschen muss ich vom zweiten Stock ins Erdgeschoss in eine riesige Gemeinschaftsdusche, die ich dann eben absperre. Stört mich alles nicht. Mein Zimmer besteht aus einem Bett und einem gürnen Sessel sowie einem PC ohne Internetanschluss, dafür mit Riesen-Röhrenmonitor und einer TV-Karte, an dem ich Dienstags immer „Sex and the City“ schaue. Es gibt zwar einen Fernsehraum im Gebäude, aber das sind meine persönlichen Frauen-Momente, die ich nicht mit den männlichen Wehrpflichtigen teilen will. Mit ihnen fieber ich im Fernsehraum gemeinsam die Fussball WM 2002 – auf einem uralten, spießigen „Gute-Deutsche-Eiche“ Rustikal-Sofa, das irgendjemand mal „gespendet“ (oder ausgesondert) hat.
Ich gehe viel im kaserneneigenen Schwimmbad schwimmen, was sich allerdings nicht bemerkbar macht, da ich viel esse. Das Essen in der Truppenküche (Bundeswehrwort für Kantine) schmeckt mir. Während der Fahrten hat der Versorgungsfeldwebel immer (hieß er so?) Schokolade dabei. Bei Konzerten wird man vom Veranstalter meist zum Essen eingeladen. Es gibt es keine Gemüse-Dinkel-Suppe oder andere vegetarische Speisen, die ich jetzt, 2021, zu mir nehme.
Mein Leben neben dem Heeresmusikkorps 10 Ulm
Ich gebe in einem Musikverein nahe Ulm Schülern Unterricht. An den Namen des Ortes kann ich mich nicht erinnern – auf jeden Fall endet er mit -ingen . So enden viele Ortsnamen um Ulm und Ulm herum. Gerne gehe ich in die Stadt, kaufe ein, in die Stadtbücherei oder ins Donaubad (das hieß aber früher anders). Am Wochenende fahre ich in die Allgäuer Heimat, treffe meine Freunde und spiele Mucken – so knüpfe ich nie einen festen Bezug zu Ulm, baue dort keinen Bekanntenkreis auf. Dazu kommt, dass ich während meiner Ulmer Zeit bei der Stadtkapelle Kempten mitspiele, da dieser Musikverein auf dem Weg von Ulm zu meinem Elternhaus liegt. Da ist Montagabend immer Probe und ich bin immer dort, außer ich habe einen dienstlichen Einsatz.
Die mumifizierte Kiwi
Während meiner Dienstzeit wird das Gebäude saniert und das Heeresmusikkorps 10 Ulm zieht für ein paar Monate nach Günzburg in eine Kaserne. Es muss über einen Sommerurlaub gewesen sein, denn nach drei Wochen kommen meine Kameradin und ich in unser Zimmer und da liegt ein mumifiziertes, knödelartiges Etwas. Sie hat vor ihrem Urlaub eine Kiwi auf dem Tisch vergessen. Der Tisch steht an einem Südfenster.
Marine in Österreich
Meine nächste Erinnerung hat auch mit Essen zu tun. Der Tag der deutschen Einheit 2002 – da esse ich zum ersten Mal in meinem Leben Sushi: In der deutschen Botschaft in Wien. Dort übernachten wir in einer Österreichischen Marinekaserne. Und ja, da liegen damals zwei Marineschiffe in der Donau. Heute schaue ich im Internet und gehe davon aus, dass es sich um diese Kaserne handelt: https://de.wikipedia.org/wiki/Marinekaserne_(Wien)
NATO-Musikfestival in Kaiserslautern
Im selben Jahr, ein wenig früher, nimmt das Heeresmusikkorps 10 Ulm am NATO Musikfestival in Kaiserslautern teil. Im Internet finde ich leider keine Spuren von dieser Teilnahme. Ich erinnere mich nur noch, dass wir in einer Polizeikaserne schlafen und dass ich auf dem dortigen Sportplatz jogge. Joggen ist für mich so ein außergewöhnliches Ereignis, dass ich mich sehr wohl daran erinnere. Außerdem verrichtet das damalige Give-Away bis heute gute Dienste: Ein Handtuch.
Bei der Musikshow-Teilnahme 2004 in Liechtenstein bin ich nicht dabei. Ich helfe zuvor meinen Eltern im Holz und breche mir einen Finger. Lebhafte Erinnerungen sind da an die „Parade der Nationen“ vom 25. bis 27. April 2003 in Stuttgart.
Besonders gut erinnere ich mich an das Repräsentationsorchester Schweizer Armeespiel. Achtung: Jetzt wird es unprofessionell und klischeehaft (aber das ist bei der Zwischenüberschrift dieses Artikels unter diesem Link ebenso der Fall): 50 männliche Zuckerschnecken auf einem Haufen. Wohlgemerkt: Das war 2003. Von den Musikern ist heute wahrscheinlich keiner mehr dabei.
Heeresmusikkorps 10 Ulm und Luftwaffenmusikkorps 1 Neubiberg
Ein weiteres musikalisches Ereignis mit einem anderen Militärorchester ist 2002 oder 2003 – ich weiß es nicht mehr, wann ich doch noch in den Genuss komme, mit dem Luftwaffenmusikkorps 1 Neubiberg zusammen zu spielen. In Bonn findet damals (immer noch? Keine Ahnung) jährlich ein Konzert mit je zwei Musikkorps statt. 2002 oder 2003 eben mit dem Heeresmusikkorps (10) Ulm und dem Luftwaffenmusikkorps 1 Neubiberg. Zwei oder drei Jahre später stelle ich fest: Die Welt ist ein Dorf. Es sind die ersten Tage meines Journalistik-Studiums. Wir (25 Studierende, die Geschlechterverhältnisse sind umgekehrt als bei der Bundeswehr: 20 Mädels, fünf Jungs) stellen uns gegenseitig vor. Einer der Jungs schaut mich an und sagt: „Wir kennen uns. Du warst beim Heeresmusikkorps Ulm und ich als Wehrpflichtiger in München und wir haben zusammen Konzert in Bonn gespielt.“
Heeresmusikkorps 10 Ulm besucht Konzert von „Das Musikkorps der Bundeswehr“
Die Erinnerungen Heeresmusikkorps Ulm vs. andere Musikkorps gehen weiter: Einmal ist das Musikkorps der Bundeswehr unter damaliger Leitung von Walter Ratzek zu Gast in Senden – unweit von Ulm. Eine große Gruppe Ulmer besucht das Konzert gemeinsam. Das Musikkorps der Bundeswehr interpretiert „Nyx“ von Thomas Doss. Bei einigen Kollegen kommt das Werk nicht gut an – ich finde es faszinierend, genauso wie das Eis, das ich vor dem Konzert esse. Schokolade mit einem Hauch Kirschgeist. Mir läuft heute noch das Wasser im Mund zusammen und habe gleichzeitig die Klänge eines Regenmachers im Ohr, der in „Nyx“ eine Rolle spielt. Verrückt, welche Erinnerungen das menschliche Hirn speichert.
Vergessen in der Dunkelheit
Einmal bin ich wütend. Eine Serenade irgendwo im Schwarzwald auf einem Berg. Es ist schon dunkel, wir warten irgendwo in einer Wirtschaft auf halber Höhe des Berges auf unseren Einsatz. Ich muss auf Toilette. Das Fenster geht zur Straße und ist gekippt. Während ich meine Hände wasche, höre ich das vertrauten Motorengeräusch unseres Busses, wie er vorbei rauscht und die Dunkelheit ihn verschluckt. Ich stehe da. Vergessen. 15 Minuten holt mich das Chefauto an der selben Stelle ab.
Heiße Nächte in Ungarn
Vom Schwarzwald nach Ungarn, an einen Ort, den ich nicht aussprechen kann (also nicht Budapest oder der Plattensee). Auf dem Marktplatz dieser Stadt steht ein großes digitales Thermometer. Es hat durchgehend über 40 Grad. Ich fühle immer noch, wie die Uniform, das blaue Hemd, die hellgraue Jacke und die kratzige dunkelgraue Hose an mir kleben. Die blaue Krawatte schnürt mir den Hals ab.
Konzert in der Hauptstadt
Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin: Zu einem Konzert im SFB – Sender freies Berlin. Muss vor dem 1. Mai 2003 sein, denn seitdem ist der SFB zusammen mit dem ORB der RBB. Vor dem Konzert machen wir eine Stadtrundfahrt. Reiseleiter: Oberstleutnant Volker Wörrlein, Leiter des Heeresmusikkorps Ulm von 1991 bis 1995. Der Mann muss sehr beliebt gewesen sein, denn als er den Bus besteigt (bzw. auf den KOM aufsitzt, wie es damals so schön in Bundeswehrsprache heißt), jubeln und johlen die Kameraden.
Apropos Bus: Damals sind sie noch grün. Einer ist ein älteres Modell und schaut schon fast historisch nach 1960 aus. In diesem „darf“ ich nicht mitfahren. Dort geht es ruhiger zu und den Kollegen, die in der Regel in diesem Bus sitzen, rede ich zu viel.
Wenige Erinnerungen an Werke
An die gespielten sinfonischen Konzertwerke kann ich mich ehrlicherweise weniger gut erinnern. Sie waren natürlich da, aber mehr ist mir in Erinnerung, dass die Menschen von den unterhaltenden Werken immer sehr mitgerissen werden. Soloeinlagen durch Klarinettisten, Saxophonisten oder Posaunisten – das kommt mir in den Sinn. Medleys mit einem Sänger aus den Reihen des Musikkorps. Ich vermisse nach wie vor das Spielen der Märsche, das meiner Meinung nach, nirgendwo so gut gespielt wird, wie in einem professionellen Militärorchester.
Das Heeresmusikkorps Ulm ist ein bundeslandgrenzübergreifendes Musikkorps. Klar, in Bayern: die Bayernhymne. Die vergesse ich als Bayerin natürlich nicht. Aber jetzt, wo ich mich zurückerinnere: Stimmt, in Württemberg spielt man nach dem Konzert den „Graf-Eberhard-Marsch“ (ich hoffe, ich erinnere mich richtig) und die Menschen waren glücklich und in Baden – und jetzt hoffe ich wirklich, mich richtig zu erinnern, denn da waren wir seltener – Badnerland (o.ä.).
Fazit: Es war eine schöne Zeit
Es ist die Zeit, wie ich sie erlebt habe, die so tief in mir drin ist, dass wirklich ein Teil von mir fehlen würde, hätte ich sie nicht gehabt. Wäre ich zehn oder 15 Jahre älter, hätte ich als Frau mit 19 Jahren gar nicht die Möglichkeit gehabt, zum Musikkorps zu gehen. Während des Schreibens kommen viele weitere Dinge in mir hoch. Auch Dinge, die ich in der Öffentlichkeit natürlich nicht breittrete – aber auch diese Dinge sind zum aller größten Teil positiv. Wäre meine Musikkorps-Zeit 20 Jahre später, hätte ich auch sicherlich viel mehr Fotos. Aber hey, meine Bundeswehrzeit ist so lange her, da gab es, haltet euch fest: Keine Smartphones. Und eines muss man 2020/2021 ebenfalls wertschätzen: Während meiner Dienstzeit gibt es keine Pandemie, die mir meine Tätigkeit, für die ich zur Bundeswehr gehe, verwehrt. Ich rechne: Meine Orchesterzeit ist nur drei Jahre. Ein Drittel meiner Orchesterzeit wäre schon ohne Konzerte und Auftritte.
Ich bereue es keine Minute, die Bundeswehr vier Jahre in mein Leben integriert zu haben. Ich habe persönlich viel mitgenommen und wie man sieht, strahlt diese Zeit noch jetzt in mein Leben und hat zu jeder Station meines Lebens eine Brücke geschlagen.
Sibiu, die Dusche . Der Schlauch war abgerissen.
Auf dem Bild der rechte Mann ist Peter Steinbrenner.
An die Story, wo man dich vergessen hat, kann ich mich auch noch erinnern.
Ach ein herrlicher Bericht. Und die vielen Erinnerungsstücke. Ich glaube ich habe das alles weggeworfen.
Liebe Diana, vielen Dank für deinen Kommentar. An die Story mit dem Schlauch kann ich mich erst jetzt erinnern, wo du es sagst. Ja, in drei Jahren ist noch viel viel mehr passiert. Auf dem Foto: Ja genau, der Peter. 🙂 Liebe Grüße
Tolle Erinnerungen, die Du hier teilst ! Ich erinnere mich noch an unser Kennenlernen in Düssesorf und Vorspiel in Hilden. Auch wenn das nur gabz kurz war, war man irgendwie „verbunden“!
Lieber Grüße aus Berlin
Lieber Tobias, auch vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, da kann ich mich auch daran erinnern. Das ist noch länger her. Das war im Januar 2000. Also jetzt vor 21 Jahren! Ja, man könnte noch viel mehr Erinnerungen aufschreiben – wie ich auch am Anfang schreibe: Die Grundausbildung würde ein ganzes Buch füllen. Da habe ich auch viel viel mehr Fotos, da meine Kameradin (Heidi) sehr viele Fotos gemacht und mir alle nachgemacht hat (was damals auch nicht ganz billig war). Liebe Grüße aus Bayern nach Berlin.
Liebe Christine Engel.
Besten Dank für diese ausführlichen Berichte. Ich kannte sehr viele Musiker vom Ulmer Musikkorps. Man hat sich schon im damaligen Ausbildungsmusikkorps in Siegburg kennengelernt, später dann bei div. Lehrgängen, auch Unteroffizierslehrgang in München. OTL Josef Hoser war unser Chef im AusbMkps in Siegburg, knallhart, ohne viel wenn und aber. Damals noch Oberstabs-Fw., da flog schon mal so einiges durch die Luft, am Kopf vorbei.
Liebe Grüße
Lieber Herr Krämer, vielen Dank für Ihren interessanten Kommentar. Da ging es ja ab in dieser Zeit. Ich bin froh, dass keiner etwas nach mir geworfen hat. 🙂
Ich freue mich sehr , dass ich mit meinen Beiträgen musikalische Erinnerungen in Ihnen geweckt habe. Herzliche Grüße
Christine Engel
Sehr amüsant geschrieben..Toll.