Ludwig van Beethoven: Kein Freund der Blasmusik

Ludwig van Beethovens Geburtsjahr jährte sich 2020 zum 250. Mal. Groß feiern konnte er ihn wegen der Pandemie nicht. Damals schrieb ich einen Text über Beethoven und die Blasmusik für die „Blasmusik – Fachmagazin des Österreichischen Blasmusikverbandes„. Nun veröffentliche meinen Text über Ludwig van Beethoven auf vontutenundblasen.de. Großer Fan von Blasmusik war Beethoven nicht – zum Glück.

Beethoven: Blasmusik war nicht sein Ding

„Warum feiert man von jemandem Geburtstag, der schon lange tot ist“, fragt mein Sohn, der genau 240 Jahre jünger ist als das große Geburtstagskind Ludwig van Beethoven. Und er stellt fest: „Wenn man von jedem Menschen den 250. Geburtstag feiern würde, käme man ja aus dem Feiern nicht mehr heraus.“

Ja, warum feiert man Ludwig van Beethovens 250. Geburtstag und von anderen Menschen nicht? Da kann man weit ausholen. Beethoven hat die Musik revolutioniert und somit die musikalischen Grenzen seiner Zeit gesprengt. Er bezog künstlerisch und politisch Stellung und gerade durch seine 9. Sinfonie setzte er Zeichen für ein geeintes Europa. Sein Leben war geprägt von Weltoffenheit, Humanismus und Vision. „Alle Menschen werden Brüder“ – die Hauptbotschaft seiner neunten Sinfonie.

Kamen Aliens mit Beethoven in Berührung?

Aus Ludwig van Beethovens Leben kann man musikwissenschaftlich, philosophisch und politisch viele Schlüsse ziehen. Aber für einen Zehnjährigen ist die Antwort eigentlich ganz einfach: Er war, nein, er ist der populärste Musiker der Welt. Verschiedene Studien sagen aus: Fast jeder kennt ihn und fast jeder fühlt sich von seiner Musik angesprochen. Vielleicht sind mittlerweile sogar schon Aliens in Kontakt mit seiner Musik gekommen. Die Raumsonde Voyager 2, die seit 1977 im äußeren Planetensystem herumreist, enthält neben Grußbotschaften einen Teil der 5. Sinfonie.

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Foto: Beethoven Haus Bonn

Viele Gründe, einen 250. Geburtstag zu feiern!

Ludwig kam als Ältester von drei Söhnen im Dezember 1770 in Bonn zur Welt. Am 17. Dezember wurde er getauft. Als er elf Jahre alt war, spielte er Orgel bei Messen in der Schlosskirche des Kurfürsten Maximilian Franz und Bratsche in dessen Hofkapelle. Der Kurfürst war ein Sohn der österreichischen Kaiserin Maria Theresia und deshalb schickte der ihn schon einmal 1787 nach Wien und ab 1792 finanzierte der Kurfürst dem jungen Beethoven Unterricht bei Joseph Haydn. Seit diesem Zeitpunkt lebte Ludwig van Beethoven in Wien.

In Vino Veritas

Mit der Etikette am Wiener Kaiserhof und die dortigen starren Regeln freundete Beethoven sich nicht an und er machte sich vom Hof unabhängig, so dass er deshalb als einer der ersten freischaffenden Musiker gilt. Am 26. März 1827 starb Ludwig van Beethoven in Wien – er hatte in den Jahren zuvor immer zu viel Wein getrunken, der damals viel Blei enthielt. Man schnitt ihm am Sterbebett eine Locke ab und bei späteren Untersuchungen ergab sich, dass diese Locke Blei in hohen Dosen enthielt.

Beethoven: Blasmusik hätte Karriere vielleicht verhindert

Das Leben des großen Musikers enthält viel tragische Elemente. Er war Alkoholiker und mit der großen Liebe klappte es nicht. Die traurigste Episode war seine Taubheit, die schon 1801 schleichend begann. Trotzdem schrieb er Musikgeschichte – die vielleicht nicht stattgefunden hätte, wenn Beethoven keine Abneigung gegen seine Bläserwerke gehabt hätte. Diese These stellt der Musikwissenschaftler Egon Voss in einem Aufsatz aus dem Jahr 2005 vor.

Neun Bläserseptette statt neun Sinfonien

Er schreibt: „Angesichtes des großen Erfolges, den das Septett op. 20 errang, und zwar schon frühzeitig, wäre vorstellbar gewesen, dass Beethoven nicht nur neun Symphonien, sondern auch neun Septette oder gar neun Septette anstelle von neuen Symphonien komponiert hätte. Doch dann wäre er vermutlich gerade nicht zu jenem überragenden Vorbild geworden, nachdem sich nahezu das gesamte spätere 19. Jahrhundert gerichtet hat.“

Beethoven: 30 von 722 Werken für Blasmusik

Ludwig van Beethoven schrieb Bläserwerke in Form von Kammermusik oder Harmoniemusik. 30 seiner 722 Werke sind für Bläser. Vor 1801 erschienen 20 Kammermusikwerke wie Duette, Trios, Quintette, Sextette oder Oktette. Nach 1802 schrieb das Genie noch zehn Bläserwerke, unter anderem 1809 den Marsch in F-Dur für Militärmusik WoO 18, besser bekannt als der „Yorksche Marsch“, der heute als einer der bedeutendsten Militärmärsche in Deutschland gilt und in Österreich wahrscheinlich genauso bekannt ist. 1813 komponierte Beethoven „Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria“ – ein Schlachtengemälde, das mit großem Bläsertamtam beginnt. Ursprünglich, davon geht die Forschung aus, stand diesem Schlachtengemälde ein reiner Bläserteil voraus, der nie aufgeführt wurde.

Sinfonien für Harmoniemusik: anonymer Arrangeur

1816 gab Beethoven einem anonymen Arrangeur den Auftrag, seine 7. und 8. Sinfonie für Harmoniemusik zu bearbeiten, also für ein Ensemble, das aus je zwei Oboen, Klarinetten, Hörnern und Fagotten besteht. Beethoven tat das nicht aus Liebe zu dieser Musik – sonst hätte er es wahrscheinlich selbst gemacht – sondern die Musik hatte so die Chance, außerhalb der Konzertsäle aufgeführt zu werden.

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Oktett Es-Dur op. 103. Bild: Beethoven Haus Bonn

Bläseroktett wird zum Streichquintett

Aber zurück in die Zeit vor 1801. Sein Oktett Es-Dur op.103 entstand 1791 in Bonn. Als er 1792 Unterricht in Wien bei Haydn nahm, überarbeitete er das Bläseroktett in ein Streichquintett. Das Bläseroktett wurde erst nach Beethovens Tod gedruckt.

Beethoven und Blasmusik: Der Pöbel harrt darauf

Das Septett in Es-Dur op. 20 für Klarinette, Fagott, Horn, Violine, Viola, Cello und Kontrabass fand unter den Bläserwerken den größten Anklang beim Publikum und gerade deshalb glaubte Beethoven, sich davon distanzieren zu müssen. „Mein Septett schikt ein wenig geschwinder in die Welt – weil der Pöbel drauf harrt“, schrieb er 1802 verächtlich. Sein Sextett op.71 schenkte er 1809 sogar her, mit dem Argument, es handele sich um seine „frühen Sachen“. Seine „frühen Sachen“ sah er im Kontrast zu seinen „besseren Sachen“.

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Septett op. 20 – Original Manuskript. Digitalisierung: Beethoven Haus Bonn

Warum mochte Beethoven keine Blasmusik?

Woran es gelegen haben mag, dass Blasmusik nicht Beethovens Geschmack war? Egon Voss vermutet, dass Beethoven die damaligen Blasinstrumente als untauglich im Vergleich zu den Streichinstrumenten betrachtete. Ein weiterer Grund könnte sein, dass Bläsermusik damals weniger aus künstlerischen Ambitionen entstanden ist, sondern eher wegen ihrer Funktion und auf Bestellung geschaffen wurde. Was Beethovens Freigeist und Unabhängigkeit widersprach.

Blasmusik kann Beethovens Abneigung verschmerzen

Die Bläserwelt kann es verschmerzen, dass fast nur Streicher, Pianisten und Sinfonieorchester in den Interpretationsgenuss der originalen Musik Beethovens kommen. Gerne verzichten wir darauf, wenn dadurch der Nachwelt so große Werke geschaffen wurden und die Menschheit deshalb so einen großartigen Geburtstag feiern kann.

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