Josef Thums liebt die böhmische Blasmusik. Er ist ein großer Verehrer der bayerischen Blasmusik. Für beide Stile komponiert er und in beiden Musikstilen fühlte er sich mit seinem Flügelhorn zu Hause. Der tschechische Komponist Josef Thums pendelt seit der Grenzöffnung musikalisch zwischen den beiden Ländern. Am 15. Januar 1933 wurde er geboren. Zu seinem 85. Geburtstag im Jahr 2018 habe ich diesen Text über Josef Thums für die „Mucke „geschrieben und veröffentliche ihn nun hier.
Josef Thums: Brückenbauer zwischen Böhmen und Bayern
Josef Thums hat da so seine Theorie. „Es liegt an der Sprache“. Davon ist er überzeugt, wenn er erklärt, dass tschechische und bayerische respektive deutsche Bläser böhmische Musik unterschiedlich interpretieren. „Beim Blasinstrument wird der Ton ausgesprochen. In Deutschland gibt es ein D und T, ein G und ein K. In Böhmen gibt es ein D und „Dja“, ein G und ein „Ga“. Es gibt keine harten Konsonanten. Und in dem System spricht und spielt der böhmische Musikant sein Instrument. Darum klingt bei den Böhmen alles weicher und in Deutschland härter.“ Deshalb müsse auch bei einem bayerischen oder rasanten preußischen Marsch der böhmische Musikant passen.
Josef Thums muss es wissen. Der am 15. Januar 1933 in der Nähe seines jetzigen Wohnortes Blizejov geborene Komponist und Flügelhornist ist zweisprachig aufgewachsen. Der Vater war Deutscher, die Mutter Tschechin. „Vater hat mit mir von Anfang an nur Deutsch gesprochen und die Mutter nur Tschechisch.“ Während des zweiten Weltkriegs hat Josef Thums eine deutsche Schule besucht. Nach dem Krieg war es in seiner Heimat nicht mehr gewünscht, Deutsch zu sprechen. „Wir sollten eigentlich auch ausgesiedelt werden, aber dann konnten wir doch bleiben, weil die Mutter Tschechin war.“ Und so wuchs Josef Thums mit seiner 13 Jahre älteren Schwester in Böhmen 25 Kilometer entfernt von der deutschen Grenze auf.
Josef Thums wuchs zweisprachig auf
Als er 13 Jahre alt war, kam er zum ersten Mal mit Musik in Berührung. „Bei uns im Dorf lebte ein alter Kapellmeister, der hat mir das Trompetespielen beigebracht.“ Vom Musiklehrer ging die Initiative aus. „Ich hatte keine Ahnung von Musik und die anderen Instrumente waren schon vergeben, nur die Trompete fehlte noch.“ 1953 gründeten die jungen Burschen im Dorf ihre eigene Kapelle, in der Josef Thums bis 1968 spielte. Darauf wurde er als Aushilfe von einer anderen Kapelle geordert – bei der blieb er bis 2005. 1990, als er seine Tätigkeit als musikalischer Wanderer zwischen den Ländern begann, trat er in die Kolping Musik Cham ein und später formierte sich daraus die binationale Besetzung „Feier‘omd Musikanten“. Aber dazu später.
Nebenberufliches Musikstudium
Der gelernte Eisendreher besuchte nach seiner Lehre eine Industrieschule und erhielt dort einen Diplomabschluss. Zeit seines Berufslebens arbeitete er für den Broterwerb in einer Ziegelei als Leiter der Zentralwerkstätte. „Ich sorgte dafür, dass alle Ziegeleien in ganz Böhmen technisch immer in Stand gehalten wurden.“ Die Musik war aber immer ganz präsent. Deshalb schrieb er sich 1959 am Konservatorium in Pilsen für das Studium „Komponieren, Arrangieren, Musikgeschichte und Instrumentieren“ ein. Drei Jahre ging Thums Vormittags in die Arbeit und Nachmittags an‘s Konservatorium. „Ich hatte nämlich erkannt: Ich möchte gerne Melodien schreiben, wusste aber nicht, wie man das arrangiert und instrumentiert, so dass es stimmt.“ Er schrieb schon vor seinem Studium Kompositionen, die waren, wie er sagt, „zum Wegwerfen.“
Josef Thums schrieb auch Tangos
Sein erstes Stück, das nicht zum Wegwerfen war, hieß „Im Bayerwald“ und „Abend im Böhmerwald“. „Es ist schwer zu sagen, welche meine Lieblingskomposition ist“, überlegt Josef Thums angesichts über 300 geschaffenen Werken, „aber Dorfmädchen und Abendstimmung gefällt mir doch sehr gut.“ Alle Stücke sind für Bläser – Blasorchester oder kleinere Besetzungen. „Polkas, Walzer und manchmal auch Märsche. Ab und zu Kirchenchoräle. Tangos schreibe ich auch, die werden allerdings nur in Böhmen und nicht in Deutschland gespielt.“ Josef Thums hat immer im Stil der böhmischen Blasmusik geschrieben, allerdings fasziniert ihn die alte bayerische Blasmusik ebenso. Boarische, Rheinländer oder eine bayerische Polka hat er auch in seinem Repertoire, da ihm daran das gemütliche langsame Tempo fasziniert. „Damals hatten die Bayern noch genügend Zeit. Jetzt geht alles hektisch vorwärts – und wohin: In‘s Grab.“
Aber trotzdem ist Josef Thums kein Verweigerer der Moderne. „Früher habe ich meine Stücke alle per Hand geschrieben. 1998 kaufte ich mir einen Computer. Seitdem geht alles leichter und übersichtlicher.“
Andere böhmische Komponisten bewundert er ,wie zum Beispiel Karel Vacek oder junge, moderne Komponisten, die sich auf den böhmischen Charakter konzentrieren. Was Josef Thums missfällt, sind manche Stücke, die im Bereich der mährischen Blasmusik erscheinen. „Das ist laut, schnell und hoch. Es ist zwar technisch anspruchsvoll, aber es macht dem Zuhörer keine Freude. Weil es nicht an die Seele geht.“ Schlimm findet er wenn böhmische Titel auf mährische Art interpretiert werden. Da werde, so Thums, der schwere Schlag auf den leichten Schlag übertragen. Sein Fazit: „Das klingt nicht gut“.
1990 wurde Josef Thums zum Brückenbauer. Der eiserne Vorhang fiel und im selben Jahr rief der Nordbayerische Musikbund (NBMB) bayerische und böhmische Dirigenten zu einer gemeinsamen Sitzung zusammen. Dort lernte Josef Thums Alois Groß von der Kolpingmusik Cham kennen und seine Zusammenarbeit mit dem NBMB und seine Aktivität in Cham begann. 2005 entstand die Gruppe „Feier‘omd Musikanten“. Fünf bayerische und fünf tschechische Musikanten musizieren seitdem in Gottesdiensten oder zu anderen Gelegenheiten. Sprachprobleme gibt es keine.
Musik ist die Sprache, die auf der ganzen Welt verstanden wird
Zwar übersetzte Josef Thums hin und wieder etwas, aber: „Die Musik verbindet. Sie ist die einzige Sprache, die problemlos auf der ganzen Welt verstanden wird“.
Neben seinem instrumentalen Engagement agierte Josef Thums lange Jahre als Juror bei verschiedenen Musikwettbewerben. 2009 erhielt er den Brückenbauerpreis des Kulturzentrums „Bavaria Bohemia“ für seine Tätigkeit als Übersetzer im Blasmusikbereich, für die Betreuung zahlreicher Blaskapellen aus dem Grenzraum und dafür, dass er für regen Austausch zwischen bayerischen und böhmischen Musikanten sorgte. Für das jährliche Volksfest in Cham gewann Thums immer böhmische Blaskapellen und umgekehrt, unterstütze er das Blaskapellensommerfestival in Svihov und brachte bayerische Kapellen auf die Festivalbühne.
Seinen Geburtstag feierte Josef Thums im Kreise der Familie. Er ist seit 63 Jahren verheiratet. Seine Frau spiele zwar kein Instrumente, aber dennoch die „erste Geige“. Aus seiner Ehe entsprangen zwei Töchter, vier Enkel und zwei Urenkel. Mit seinen Kollegen von der Kolping-Musik und den „Feier‘omd Musikanten“ feierte er keinen Geburtstag, dafür Abschied. „Ich habe mein musikalisches Leben aufgegeben. Bevor jemand merkt, dass ich nicht mehr so gut bin, bin ich selbst gegangen. Man muss auch die Kunst beherrschen, rechtzeitig abzudanken.“
Dem Komponieren und dem Arrangieren hat er nicht den Rücken gekehrt. „Sobald irgendwas geflogen kommt, dann kann man die Melodie aufzeichnen und bearbeiten. Wenn nichts kommt, kann man nichts machen. Die Kreativität ist ein Glück und es liegt am lieben Herrgott, war er mir zuschickt.“