„Einzug der Gladiatoren“, „Florentiner Marsch“ – das sind die zwei Stücke mit denen jeder Blasmusiker den Komponisten Julius Fucik assoziiert. Ob das sein Wunsch war, oder ob er lieber als Opernkomponist in die Geschichte eingegangen wäre, ist heute schwierig zu sagen. Denn er starb sehr früh mit nur 44 Jahren am 25. September 1916.
Wer über Julius Fucik schreibt, dem muss erst einmal bewusst sein, über wen er da recherchiert. Denn über den Komponisten Julius Fucik ist wenig bekannt. Mehr in die Geschichte eingegangen ist sein gleichnamiger Neffe (1903 bis 1943), ein tschechischer Schriftsteller und kommunistischer Kulturpolitiker, der 1943 von den Nazis ermordet wurde.
Der zerrissene Komponist. Julius Fucik zwischen Wunsch und Realität.
Soweit der Exkurs. Über Onkel Julius Fucik ist in den großen Musikgeschichtsbüchern wenig verzeichnet. Schon allein deshalb, weil Blasmusikkomponisten dort sowieso oft zu kurz kommen. Wüsste Julius Fucik das, würde er sich wahrscheinlich im Grabe umdrehen, denn schon zu Lebzeiten war er mit seinem Dasein meistens eher unzufrieden – das geht aus den Forschungen und der wissenschaftlichen Arbeit „Julius Fučík (1872-1916), Komponist, Militär- und Zivilkapellmeister der Donaumonarchie, und sein Beitrag zur national-tschechischen Schule in der Musik“ des Musikwissenschaftlers Wolfgang Suppan hervor.
Student bei Antonin Dvorak
Geboren wurde Julius Fucik am 18. Juli 1872 in Prag unter ärmlichen Verhältnissen. Trotzdem bekam er die Chance, ein Instrument zu lernen – nämlich die Geige. Sein Musiklehrer überzeugte die Eltern, ihn am Prager Konservatorium Musik studieren zu lassen. Mit finanzieller Hilfe der Großmutter beginnt er 1885 das Studium mit Geige und Fagott. 1891 wird er für ein halbes Jahr Kompositionsstudent von Antonin Dvorak (1841-1904).
Wie sich herausstellen sollte, war Julius Fucik beim Komponieren nicht minder begabt als sein Kommilitone Josef Suk, der neben Leos Janacek zu den bedeutendsten Schöpfern der tschechischen Musik gezählt wird. Aber die Zeit für ein Kompositionsstudium ist zu kurz. Noch im selben Jahr zog Julius Fucik beim k.u.k. Militär ein. Er wurde Militärmusiker im Infanterie-Regiment Nr. 49 in Krems. Durch Briefe an seinen Bruder Rudolf und Tagebucheinträgen wird deutlich, dass Julius Fucik nicht sehr begeistert vom Kasernenleben und vom Leistungsstand seines Orchesters unter Leitung von Josef Franz Wagner war. Dieser hat übrigens den Marsch „Unter dem Doppeladler“ komponiert.
Während der drei Jahre in Krems (1891-1894) fuhr Fucik öfter ins nicht weit entfernte Wien, um dort großen sinfonischen Konzerten zu lauschen. Deshalb schlug er Josef Franz Wagner während dieser Zeit auch vor, ein Blasorchesterpotpourri aus Bedrich Sematanas „Verkaufter Braut“ zu spielen. Wagner schlug ihm diesen Wunsch aus.
Alles dreht sich um das Geld und alles ist ein Schwindel
1895 kehrte Fucik ins zivile Leben und somit nach Prag zurück. Er trat eine Stelle als zweiter Fagottist am Deutschen Theater in Prag an und stieg 1896 zum Dirigenten des Prager Stadtorchesters und eines Chors in Kroatien auf. 1897 kehrte er trotz seiner schlechten Erfahrungen wieder in die Militärmusik zurück. Er übernahm das Militärorchester des Infanterie-Regiments 86 in Sarajewo, das 1900 nach Budapest verlegt wurde. Aber auch dort war er nicht zufrieden, wie ein Tagebucheintrag beweist, den Wolfgang Suppan zitiert hat: „Das hiesige Leben gefällt mir überhaupt nicht, künstlerisch taugt es gar nichts, alles dreht sich um das Geld und wieder um das Geld und alles ist ein Schwindel. Es sind hier acht Kapellen, und die Konkurrenz ist groß und unehrlich. Man könnte darüber viel erzählen, aber es ist weder die Tinte noch das Papier wert.“
Größter Erfolg von Julius Fucik: Einzug der Gladiatoren
Er brachte seine Wünsche und seine berufliche Realität kaum unter einen Hut. Zum Komponieren, seiner eigentlichen Leidenschaft, fehlte im schlichtweg die Zeit. Obwohl er 1899 schon seinen größten Erfolg „Einzug der Gladiatoren“ geschaffen hatte. 1910 brachte er seine Unzufriedenheit noch einmal zum Ausdruck: „Glaube mir, ich habe die Nase voll, am liebsten würde ich alles wegschmeissen. Und es ist möglich, daß ich es bald machen werde, um mich dann nur dem Komponieren zu widmen. Von diesem Zigeunerleben habe ich genug. Ich denke sowieso daran, einen Verlag wie ihn Lincke in Berlin hat, zu gründen. Ich will sehen, was die Zukunft bringt. Soviel mir die Zeit erlaubt, arbeite ich an einer Oper, auf welche ich mich sehr freue. Das wird wohl mein erreichtes Ideal, nach dem ich mein Leben lang sehnte. In diese Oper möchte ich alles hinein legen, was in meinem Kopf schlummert.“
Zu einer Oper kam es nie
Zu dieser Oper kam es tragischerweise nie. Bis 1913 war er noch in anderen Militärorchestern des Habsburger Reiches stationiert. Dann legte er seinen Militärdienst nieder und ging zu seinem Bruder Rudolf nach Berlin, wo er als Freiberufler das „Prager Tonkünstler Orchester“ gründete. Das geschah aber schon in den Vorzeiten des ersten Weltkriegs, weshalb sich das Ensemble nicht lange hielt. Auch seine Freude an seinem eigenen Verlag und seiner freiberuflichen Tätigkeit als Komponist währte nur kurz. Ein Tumor fesselte ihn ans Bett, wo er am 25. September 1916 verstarb.
Betrachtet man Julius Fuciks musikalische Leidenschaften, ist es fast ein Widerspruch, dass er zum berühmtesten Marschkomponisten wurde. Neben Bedrich Smetana, waren Richard Wagner, der junge Richard Strauss und sein Lehrer Antonin Dvorak seine musikalischen Vorbilder. Mit den Streichorchesterbesetzungen seiner Militärkapellen präsentierte er dem Publikum auch zu dieser Zeit avantgardistische Werke, wie beispielsweise des Skandinaviers Edvard Grieg.
Österreichs Ruhm und Ehre
Seine Komposition, das wohl für ihn annährend seinen musikalischen Geschmack traf, war die viersätzige Suite „Österreichs Ruhm und Ehre“. Sie wurde 1907 von den Prager Philharmonikern uraufgeführt und entstand sieben Jahre zuvor anlässlich des Kaiserjubiläums 1898 in Sarajewo. Die Sätze „Die Gründung Österreichs. Rudolf von Habsburg und seine Krönung zu Aachen“, „Maria Theresia“ „Schlacht bei Custozza“ sowie „1848 bis 1898“ sind heute seit 1996 in einem Blasorchesterarrangement von Armin Suppan wieder spielbar. Dort, so Wolfgang Suppan, setze Julius Fucik die Musik seiner großen Vorbilder, Smetana und Richard Wagner, in seiner eigenen Art um – und artikuliere eine eingeprägte tschechisch-nationale Musiksprache.
Wolfgang Suppan kommt zu dem Fazit, dass Fucik ein überdurchschnittlicher begabter Komponist war, der lebenslang nicht den Mut aufgebracht hatte, seiner eigenen Bestimmung gemäß als freischaffender Komponist zu leben. Ein tragischer Musikheld, der vor über 100 Jahren viel zu früh verstarb.
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