Böhmische Musikantennacht

Die Blasmusik EM in Nesselwang im Jahr 2018 – also die 19. Europameisterschaft der böhmischen und mährischen Blasmusik – besuchte ich für die Mucke und hatte damals „Standdienst“. Eine umfassende Reportage über das Festival schrieb ich damals nicht – das erledigte der Kollege – aber eine kleinen Beitrag über die integrierte „Böhmische Musikantennacht“. Im Vorfeld zur Europameisterschaft der böhmischen und mährischen Blasmusik 2022 in Lüchtringen, stelle ich auch meinen alten Beitrag von 2018 in Nesselwang hier auf vontutenundblasen zur Verfügung.

Böhmische Musikantennacht als Höhepunkt der Blasmusik EM in Nesselwang

Seit neun Jahren ist sie der böhmische Höhepunkt im Ostallgäu. Die Böhmische Musikanten-Nacht in Nesselwang findet zwar auch statt, wenn keine Europameisterschaft ausgerichtet wird. In diesem Jahr konnte das böhmische Konzert allerdings wieder in den Wettbewerb integriert werden. Mit dabei waren „Mission Böhmisch“, „Grenzwertig Böhmisch“ und – wie jedem Jahr – Berthold Schick und seine Allgäu6

Ausverkauft war die Böhmische Musikantennacht schnell. Sehr zur Enttäuschung vieler Interessenten. Aus vielen Mündern von Wettbewerbsbesuchern hörte man den Satz „Habe keine Karten mehr für Samstagabend“ bekommen. Des anderen verständliches Leid, des anderen verständliche Freud – die Veranstalter – das Euregio Festival ­ haben erneut für eine ausverkaufte Alpspitzhalle gesorgt, und die hat nicht wenige Plätze, was von einer großen Wertschätzung für die gepflegte, konzertante böhmische Blasmusik zeugt.

Mission Böhmisch auf der Böhmischen Musikantennacht

Den Auftakt machte „Mission Böhmisch“ unter Leitung von Daniel Käsbauer aus der Oberpfalz. „Mission Böhmisch“ war an diesem Abend im Juni zum letzten Mal als Europameister der böhmisch-mährischen Blasmusik in der Höchststufe aufgetreten. Im Bamberg hatte sich sich die Truppe 2017 den Sieg mit 95,83 Punkten geholt. Am darauffolgenden Tag löste Brassaranka die Oberpfälzer ab. Und deshalb feierten „Mission Böhmisch“ noch einmal richtig und stiegen mit „Wir feiern heute ein böhmisches Fest“, das Daniel Käsbauer selbst komponiert hat sowie mit ihrem „In böhmischer Mission“ ein.

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„Mission Böhmisch“, die Gewinner der Blasmusik EM 2017 in Bamberg, bei der Böhmischen Musikantennacht in Nesselwang 2018. 2022 ist „Mission Böhmisch“ aufgelöst. Foto: Christine Engel

Europameister 2017

Weitere Konzertstücke waren „Schöne Zeiten“ von Christian Frank oder die „Kiri-Polka“ von Thomas Greiner. Alles Werke von der aktuellen CD „Schöne Zeiten“. Das Gesangspaar von „Mission Böhmisch“ bildeten Flügelhornistin Diana Ferenz und Tenorist Patrick Oroudji. Von diesem stammt auch „Liebe, Lust und Blasmusik“ und „Ewig böhmisch“ komponierte ebenso ein Musiker der Truppe: Pascal Führnrohr. Das treffende Werk „Der Europameister“ hat Schlagzeuger Daniel Fischinger geschaffen. Er war  in Nesselwang nicht dabei, dafür  Kollege Reiner Spindler. Nach über einer Stunde holten die Missionare noch einmal kräftig aus und sorgten mit einer böhmischen Potpourri, die die Hauptthemen von unter anderem „Böhmischer Wind“ oder „Wir sind Kinder von der Eger“ enthielt, für Gänsehaut.

Musik über Grenzen hinweg auf der Böhmischen Musikantennacht

Auch der zweite Act machte nicht nur mit Musik, sondern insbesondere mit seiner Moderation auf sich aufmerksam. Die Gruppe „Grenzwertig Böhmisch“, die aus Musikern vom Außerfern (Österreich) und dem angrenzenden Allgäu besteht, war an diesem Samstag schon im Wettbewerb aufgetreten und beglückte die Nesselwanger Zuhörer nun mit neuen Klassikern wie „Kaiserin Sissi“ von Timo Dellweg oder „Miigeler Sound“ von Johannes Guggenmos. „Miigele“ ist ein typisch Allgäuer Begriff, der so viel bedeutet wie „gemütlich“. Und den konnte als Moderator keiner besser erklären als der Dirigent der Lokalmatadoren „Grenzwertig Böhmisch“: Josef Müller. Er nahm kein Blatt vor dem Mund und zeigte im breitesten Allgäuer Dialekt, mit hartem K und rollendem R, dass Bayern eben nicht nur „bayrisch“ ist. Mit Sätzen wie „Blosmusig mocht it bloß schea sondern o gscheit“ stellte er das Team seiner weiblichen Musiker vor. Das besteht aus: einer promovierten Physikerin, einer Ärtzin, einer Sprachwissenschaftlerin, einer Wirtschaftswissenschaftlerin und einer Pädagogin.

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„Grenzwertig Böhmisch“ auf der Böhmischen Musikantennacht. Foto: Christine Engel

Das Orchester mit einem „Original“ Josef Müller verabschiedete sich mit einer böhmischen Version von „Guten Abend, gute Nacht“, bei dem die Bühne in ein dunkles Blau getaucht war. „Kerig war‘s bei ui“, verabschiedeten sich Müller und sein „heimliches Euregio-Orchester“ vom Publikum. Dass es Josef Müller beim Nesselwanger Publikum sehr gut gefallen hatte, musste man Bertold Schick nicht übersetzen. Auch er stammt aus dem Allgäu, wenn auch aus dem baden-württembergischen.

Allgäu 6 auf der Böhmischen Musikantennacht

Wahrscheinlich sind er und seine Truppe „Allgäu6“ es, die das Publikum nach Nesselwang pilgern lassen und diesem somit die Chance geben, andere böhmische Orchester näher kennenzulernen. Bertold Schick ist jedes Mal dabei und so auch 2018. Auch hier hat der Chef das Sagen – wobei er ab und an auch Tubist Herbert Hornig zu Wort kommen lässt. Dieser ist nicht nur auf der Tuba ein Virtuose sondern auch auf der kleinen – sehr kleinen – Schwester, nein, eher Freundin, ein Virtuose. Auf der Sopranino-Blockflöte intoniert er das Es-Klarinettensolo „Gesang der Lerche“ besser als manch Es-Klarinettist. Zudem schafft er mit diesem Stück eine Bühne für einen weiteren, meist sehr improvisierten, Auftritt: den des menschlichen Mikrofonhalters. Den meistern sogar Journalisten.

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Allgäu 6 auf der Böhmischen Musikantennacht. Foto: Christine Engel

Nun handelt es sich bei Allgäu6 um ein Blechbläsersextett mit Schlagzeugverstärkung, aber wie Berthold Schick schon richtig ankündigte: „Da soll noch einer sagen, wir hätten kein Holz dabei“, und holte sein Alphorn zum Vorschein, dem er, zwar unmöglich, aber offenbar, mehr als Naturtöne entlockte.

Solisten sind Musiker bei einem Sextett alle irgendwie. Aber mit Franz Tradler hat sich Berthold Schick einen Trompeter ins Team geholt, bei dem Virtuosität, Leichtigkeit und Tonschönheit eine Symbiose bilden – das bewies Tradlers exzellentes Solo „Kaskaden“ von Willy Neugebauer.

Den Ensemblehöhepunkt bildete ein Stück, das in dieser Version quasi uraufgeführt wurde – ein Stück spanisches Flamencogefühl in der böhmischen Musikanten Nacht.  „Concerto de Aranjuez“ von Joaquim Rodrigo ist eigentlich ein Werk für Konzertgitarre und Sinfonieorchester, der 2. Satz daraus ist der berühmteste. Miles Davis gab diesem klangintensiven Werk in h-moll einen jazzigen Anstrich – Berthold Schick und seine Männer nun einen böhmischen.

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Alle drei Ensembles gemeinsam unter der Leitung von Kurt Pascher auf der Böhmschen Musikantennacht. Foto: Christine Engel

Die Böhmische Musikantennacht sagt auf Wiedersehen

Nach diesem, ja fast schon atemlosen, Spektakel ging es bei der Böhmischen Musikantennacht original dem Ende zu. Der Vater der böhmisch-mährischen Europameisterschaft Freek Mestrini komponierte 2009 die „Euregio Polka“. Meister Mestrini konnte aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht da sein, sonst hätte er vielleicht das Gemeinschaftsorchester, das die drei teilnehmenden Ensembles am Ende des Konzerts bildeten, dirigiert. Aber Kurt Pascher, Leiter der Böhmerwälder Musikanten, übernahm die Leitung und entließ die Gäste mit Klängen eines wohlklingenden Gemeinschaftschores in die böhmische Nacht.

Auch 2022 gibt es eine Böhmische Musikantennacht. Die Infos dazu findet ihr unter diesem Link: www.nesselwang.de/boehmische-musikanten-nacht.html

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