Das Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr ist der dritte Kandidat in meiner Serie „Mensch Orchester“, in der ich die deutschen Berufsblasorchester porträtiere. Nach dem Heeresmusikkorps Ulm und dem Luftwaffenmusikkorps Münster folgt nun die Kaderschmiede der Militärmusik der Bundesrepublik Deutschland: Im Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr im nordrheinwestfälischen Hilden werden die zukünftigen Musikerinnen und Musiker der deutschen Militärmusik in Zusammenarbeit mit der Robert-Schumann-Hochschule in Düsseldorf ausgebildet. In puncto Ausbildung in der Militärmusik und Infrastruktur hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan und das habe ich im Mai 2022 persönlich unter die Lupe genommen. (Unter diesem Link: Die Geschichte des Ausbildungsmusikkorps).
Die Ausbildung der Militärmusik in Deutschland
Nur noch Lehm, Kies und Baggerspuren liegen dort, wo ich mich vor 21 Jahren von meinem Lehrgang beim Ausbildungsmusikkorps verabschiedete. Am Eingang des alten Gebäudes. Ich hatte mich für eine vierjährige Unteroffizierlaufbahn entschieden. Bedeutete: Man absolvierte einen 4,5 monatigen musikalischen Unteroffizierlehrgang in Hilden und ging dann in ein Musikkorps. Diese Laufbahn gibt es heute nicht mehr – genauso wenig wie das alte Ausbildungs- und Unterkunftsgebäude sowie das Odeon, in dem die Orchesterproben stattfanden.
Aber früher war alles besser? Ähm, nein!
Schade? Nein! Im Mai 2022 besuchte ich das Ausbildungsmusikkorps der Bundeswehr zum ersten Mal nach meinem damaligen Abschied und machte mir für vontutenundblasen ein persönliches Bild vom neuen Gebäude sowie von der heutigen Ausbildung der Militärmusik. Was soll ich sagen? Ich bin wirklich positiv überrascht. Das Gebäude: super. Der Ausbildungsweg: super. Ich bin, das muss ich betonen, obwohl ich diese Eigenschaft nicht mag: Ein bisschen neidisch.
Die Infrastruktur: Gold
Der neue Gebäudekomplex des Ausbildungsmusikkorps in der Hildener Waldkaserne liegt circa 200 Meter in Richtung Süden vom alten Standort entfernt. 2018 wurde es eingeweiht. Mittelpunkt der Musikakademie der Bundeswehr, wie das Ausbildungsmusikkorps in Zukunft heißen soll, ist ein goldenes, sechseckiges Gebäude, dessen Hülle ein bisschen an die Berliner Philharmonie erinnert. Das ausführende Architekturbüro bekam für den Entwurf einen Architekturanerkennungspreis. Unter diesem Link könnt ihr das Ausbildungsmusikkorps unter architektonischem Blickwinkel betrachten. Im goldenen Gebäude befindet sich der große Orchesterproberaum, ein Kammermusikraum und im Obergeschoss ein modernes Ton- und Aufnahmestudio. Die Räume sind in allen Belangen, von Akustik und Beleuchtung bis Klima und Energieeffizienz, auf dem neuesten Stand der Technik. Zur Akustik habe ich hier einen interessanten Blogbeitrag gefunden.
Die Infrastruktur: Schwarz
Eingerahmt wird das goldene Herz vom schwarzen Unterrichts- und vom roten Unterkunftsgebäude – beide in L-Form. Das schwarze Unterrichtsgebäude ist das Schlaraffenland jedes Musizierenden. Angefangen von 60 Einzelüberäumen, die sich in den Etagen nach den verschiedenen Instrumenten aufteilen. Jedes Zimmer hat ein Klavier, Fenster und einen Spiegel. Nur zwei der vielen gewissen Extras, die Leiter Prof. Oberstleutnant Michael Euler wichtig waren und die zeigen: Hier haben Musikerinnen und Musiker mitgeplant. „Fenster sind wichtig, denn wenn man stundenlang übt, braucht der Mensch Tageslicht. Im Spiegel kann man seine Haltung kontrollieren,“ erklärt mir Oberstleutnant Prof. Michael Euler. Weiter reihen sich 31 Unterrichtsräume in das Gebäude, die sich von Größe und Beschaffenheit dahingehend unterscheiden, ob zum Beispiel Klarinetten- oder Schlagzeugunterricht darin stattfindet. Die Türen der Schlagzeugräume sind viel breiter. Wieder ein Punkt, bei dem mitgedacht wurde. „So können Pauken oder Marimbaphone problemlos rein- und rausgeschoben werden.“
Über drei Stockwerke im hinteren Teil des schwarzen Gebäudes ist Musikgeschichte sicht-, hör- und spürbar. 2020 spendeten Eva und Helmut Kirchmeyer ihre historische Musikinstrumentensammlung, die über 200 Exponate umfasst. Professor Dr. Helmut Kirchmeyer war der Gründer der Robert-Schumann-Hochschule. Mehr über die Sammlung beim Ausbildungsmusikkorps könnt ihr hier lesen.
Weiter geht es mit der Besichtigung: Einen Vortragssaal, in den sich auch externe Gruppen zu Fachtagungen einmieten können, einen Computerraum und, das empfinde ich als rückenschmerzengeplagte Schreibtischtäterin als überhaupt keinen Luxus, sondern als sehr weitsichtige Notwendigkeit, denn auch Musikergesundheit (denn auch Musizieren findet meistens im Sitzen statt) rückt immer mehr in den Fokus: Einen Yogaraum, in dem die Ausbildungsinstitution regelmäßig Yogakurse anbietet.
Die Infrastruktur: Rot
140 Einzelzimmer beherbergt das in rot gehaltene rote Unterkunftsgebäude des Ausbildungsmusikkorps. Jeder Studierende genießt Privatsphäre und muss sich nicht wie früher, ein Zimmer mit einer Kameradin oder einem Kameraden teilen. Zwischen den Einzelzimmer befindet sich ein Badezimmer mit einer Toilette, einer Dusche und zwei Waschbecken. Alle Zimmer sind mit WLAN und Fernseher ausgestattet. Ganz wichtiger Hinweis: auch mit elektrischen Rollos – die ich bei meiner Übernachtung nicht gefunden hatte und mir die ganze Nacht eine Laterne ins Gesicht leuchtete. Bei der Frage, wie ich geschlafen hatte, musste ich antworten, dass dies nur mit T-Shirt über den Augen möglich war. Antwort: „Ach, Mensch, Christine. Neben der Tür wären die Schalter für den elektrischen Rollo gewesen.“ Also: Keine Störung des Schlafs durch Außenlaternen und auch nicht durch übewütige Nachteulen, denn: In der Unterkunft herrscht Übeverbot.
Die Bauphase des Ausbildungsmusikkorps und seine Federführung
Dass diese Planungen und dieser Bau keine leichten Aufgaben waren, kann sich jeder vorstellen, der nur ansatzweise privat gebaut hat. Und hier handelt es sich um ein steuerfinanziertes staatliches Projekt. „Zehn Jahre Herausforderung. Man musste immer wieder kämpfen“, erinnert sich Michael Euler, in dessen Verantwortung das Ausbildungsmusikkorps seit 2008 steht und er so die Konzeption und Organisation des Neubaus leitete. Am Anfang stand die Idee, das alte Gebäude für die Ausbildung der Militärmusik umzubauen. 2009 begannen die Planungen dafür und schnell stellte man fest, dass dies ein Fass ohne Boden geworden wäre. Die Planungen für einen Neubau starteten von vorne. Schon einige Zeit davor waren die Studierenden in ihre Übergangsunterkunft in die Bergische Kaserne Düsseldorf umgezogen. 2015 waren die Planungen abgeschlossen und 2018 der Bau. Der Vorteil, dass Michael Euler die ganze Bauzeit über Leiter war und immer noch ist: Die Kontinuität in der Planungs-, Bau- und Fertigungsphase.
Die Ausbildung der Militärmusik
Die Studierenden haben eine optimale Infrastruktur, mit der sie sich auf das konzentrieren können, wegen was sie überhaupt in Hilden sind: Ihre Ausbildung zum Militärmusikerin bzw. Militärmusiker. Da ist alles anders als früher, denn die dauert mittlerweile fünf Jahre und deshalb muss man sich auch für 13 und nicht mehr für zwölf Jahre verpflichten. Wer in Hilden ankommt, hat vielleicht schon ein Praktikum bei einem Musikkorps gemacht oder er/sie diente zwischen sieben und 23 Monaten als freiwillig Wehrdienstleistende oder Wehrdienstleistender. Beides kein Muss. Was aber jeder durchlaufen hat: Die Eignungsfeststellung bei der Bundeswehr, die musikfachliche Eignungsprüfung und die Allgemeine Grundausbildung. Im besten Fall stehen im Oktober jedes Jahres 27 angehende Musikstudierende vor der Haustüre – vielleicht sogar mit den Instrumenten Klarinette, Horn, Oboe, Fagott oder Tuba, denn die sind derzeit Mangelware bei der Bundeswehr. 27 Plätze pro Jahrgang – insgesamt 140 Studierende. Die 27 jungen Frauen und Männer bereiten sich während des achtmonatigen Basismoduls auf die Eignungsprüfung an der Robert-Schumann-Hochschule vor. Da üben die Neulinge mit einem Lehrfeldwebel ihr Instrument, Klavier, Ensemble, Gehörbildung und Harmonielehre. Ist die Aufnahmeprüfung bestanden, geht es zunächst nach München zum Sanitätslehrgang, bevor es richtig losgeht.
Das Studium – das Herzsstück der Ausbilung der Militärmusik
Nun studieren die Instrumentalistinnen und Instrumentalisten acht Semester. Schwerpunkt ist natürlich das jeweilige Hauptinstrument. Hinzu kommen Klavier, das Nebenfach, Theorie, Harmonielehre oder Musikwissenschaft- und Geschichte. Montag, Mittwoch und Freitagvormittag haben die Studierenden Orchesterprobe. Nachmittags geht es an die Hochschule. Nach acht Semestern absolvieren die Studierenden im Juli am Ausbildungsmusikkorps die „Feldwebel-Prüfung“ und im August die Bachelorprüfung an der Hochschule.
Die Schmankerl der Ausbildung
Da sind zum einen die Nebenfächer zu nennen: Klavier und die Besonderheiten des jeweiligen Hauptinstruments (Beispiel: Klarinettenstudierende bekommen Unterricht auf Es-Klarinette und Bassklarinette, Posaunen auf der Kontrabassposaune). Daneben stehen den Studierenden individuelle Wahlmodule wie Blasorchesterleitung, Tontechnik oder Jazzimprovisation zur Auswahl.
Zwei Mal im Monat veranstaltet das Ausbildungsmusikkorps öffentliche Kammermusikkonzerte. Für diese braucht das Ausbildungsmusikkorps kaum Werbung machen. „Sie werden von der Bevölkerung sehr gut angenommen“, sagt Oberleutnant Paul Stöher, Hauptverantwortlicher der Kammermusikkonzerte. Er gibt die Termine vor und die Studierenden können sich dafür vom klassischen Querflötenduo bis zur kleinen Egerländerbesetzung anmelden und Programmvorschläge unterbreiten. Sogar ziviles Gitarrenensemble der Robert-Schumann-Hochschule trat schon beim Kammermusikabend in der Kaserne auf.
Das Kapellmeisterstudium
Das Studium zum Kapellmeister bzw. Kapellmeisterin kann auch beim Ausbildungsmusikkorps belegt werden. Die Ausbildung dauert sechs Jahre und endet mit dem Abschluss „Master of Music“. Hauptfach hier ist das Klavier und als zukünftiger Chef eines Musikkorps studiert man nicht nur Musik, denn man ist gleichzeitig militärische:r Führer:in und Disziplinarvorgesetze:r. „Als Dirigent eines Musikkorps muss man auch den Schreibtisch mögen“, sagt Oberstleutnant Prof. Michael Euler aus Erfahrung. Alle zwei Jahre wird für dieses Studium ein Platz frei.
Das Netz zur zivilen Welt: Die zukünftige Musikakademie der Bundeswehr
Die Militärmusik möchte in Zukunft nicht ihr eigenes Süppchen kochen. Wie oben kurz erwähnt, heißt das Ausbildungsmusikkorps in Zukunft „Musikakademie der Bundeswehr“. Die Zusammenarbeit mit der Laienblasmusikszene und den Musikverbänden soll vertieft werden. Schon immer haben sich Militärmusikerinnen und Militärmusiker in die zivile Szene eingebracht, das soll ausgebaut werden. Auch die Proberäume, sollte Kapazität sein, soll Anlaufstelle für Vereine und Jugendorchester werden. In den Genuss des bestausgestatteten Probekomplexes kamen schon die Gewinnerorchester des Nachwuchswettbewerbs der Bundeswehr „BW-Musix“. Michael Euler findet, dass aus diesen Gründen der Name „Musikakademie der Bundeswehr“ der richtige ist: „Ein Name, der nach außen in die Fläche dringt.“
Die Relevanz des Ausbildungsmusikkorps
Die Bundeswehr hat im Unterschied zur Landespolizei der verschiedenen Bundesländer, zur Bundespolizei und dem zivilen Blasorchesterbetrieb, die meisten Berufsblasorchester in seinem Portfolio. Eine eigene Ausbildungsstätte ist daher durchaus vertretbar. Dass die Musikerinnen und Musiker Soldaten sind und nicht, wie bei Polizei, Angestellte, ergibt durchaus Sinn. Denn so kann die Verbindung zwischen Truppe und Bevölkerung glaubhaft dargestellt werden. „Ich sehe in der Militärmusik auch die Rolle des Vorbilds für die Laienblasmusikszene und als Initiator neuer Projekte“, so Euler.
Ein Projekt ist zum Beispiel der Kompositionswettbewerb: „Ich habe einen Kompositionswettbewerb für neue Musik veranstaltet“, erzählt Euler. „Dieses Projekt wollen wir wieder anschubsen. Wir sind in der Pflicht, neue Wege zu bestreiten und die Musik weiterzuentwickeln, um Grenzen erfolgreich überschreiten. Neue Musik muss hier wieder passieren.“
Der Chef und sein Team
Circa 15 Personen umfasst das Stammpersonal des Ausbildungsmusikkorps. Es setzt sich zusammen aus Leiter Oberstleutnant Michael Euler, dem stellvertretenden Leiter Hauptmann Robert Brenner, und zwei Fachdienstoffizieren. Leutnant Paul Hoffmann ist für die Sportausbildung und die Ausstellung zuständig, Oberleutnant Paul Stöher für die Kammermusikkonzerte, den Akademiebetrieb und die Öffentlichkeitsarbeit.
Seit Kurzem ist Oberstleutnant Michael Euler nicht nur Leiter des Ausbildungsmusikkorps, sondern zudem Honorarprofessor der Robert-Schumann-Hochschule Düsseldorf. Hochschulen können Titel an Menschen verleihen, die sich um die Ausbildung verdient machen. „Die Kooperation zwischen Hochschule und Ausbildungsmusikkorps hat sich in den vergangenen 14 Jahren super entwickelt. Es war eine riesengroße Ehre für mich. Aber es ist eine Gemeinschaftsleistung. Ich habe eine großartiges Team, das mir bei verrückten Ideen den Rücken freihält. Insgesamt kann ich sagen: Ich habe den schönsten Job, den man haben kann.“
Wer Fragen zur Ausbildung hat oderein Praktikum machen möchte wendet sich per -Email an:
AusbMusKorpsBwBewerbung@bundeswehr.org
Telefon: 02103-28-2505
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