Das schicksalhafte Leben einer vor über 120 Jahren gestorbenen Frau hat sein Leben verändert. Klingt mysteriös, aber Blasmusikfreunde kennen den wahren Hintergrund und feiern den Marsch, der dieser Frau gewidmet ist. „Kaiserin Sissi“ hat in den vergangenen Jahren den Popularitätsgrad eines „Böhmischen Traum“ erreicht. Der Komponist ist Timo Dellweg und zu seinem 40. Geburtstag am 29. Oktober 2019 gratulierte ich mit einem Text in der „Mucke“.
Alles Gute zum Geburtstag, Timo Dellweg
In überzeichneten Multitaskingbildern werden Mütter oft so dargestellt: In der einen Hand das Kind, in der anderen den Kochlöffel und unterm Kinn das Telefon. Klingt nach Stress. Timo Dellweg hatte beim Telefoninterview zwar keinen Kochlöffel zur Hand, aber ein Gespräch während er auf seinen Sohn achtgab, dass der mit seinem neuen Fahrzeug nirgendwo dagegen fährt, meisterte der Komponist und Musiker mit seinem weichen Pfälzer Dialekt souverän, ruhig und gelassen. Dass er ein leidenschaftlicher Vater und Familienmensch ist, zeigte sich an vielen Punkten des Gesprächs. So ließ er damals verlauten, ab März 2020 eine kompositorische Pause einzulegen. Denn Familie Dellweg ist seitdem zu Viert.
Das bedeutet, dass der Musikverein Thaleischweiler-Fröschen eine Weile auf seine Dirigentin verzichten muss. Timo Dellwegs Ehefrau dirigiert das Orchester, in dem er Flügelhorn spielt und viele weitere Mitglieder der angeheirateten Familie musizieren. „Sie dirigiert mich und ich darf unter ihr spielen“, erzählt er mit Stolz in der Stimme. „Wenn da Probe ist, ist nicht nur einer weg, sondern wir alle. Auch mein Sohn spielt dort mittlerweile mit. Im Prinzip sind wir immer alle zusammen.“
Musikalische Feldwebellaufbahn von Timo Dellweg
Dass er so viel mit seiner Familie zusammen sein kann und nicht in der Bundesrepublik herum pendeln muss, hat zunächst mit einem Punkt zu tun, über den er anfangs nicht so glücklich war. Sein Leben verlief in einem geographischen Dreieck. Aufgewachsen ist Timo Dellweg im Landkreis Bad Kreuznach bei Mainz im unmittelbaren Nachbarort von Michael Klostermann, bei dem er jahrelang musizierte. Nach seiner Ausbildung zum Schlosser rief ihn die Bundeswehr im Jahr 2000 ein und er wurde Militärmusiker im damals noch existenten Luftwaffenmusikkorps in Karlsruhe. Als Wehrpflichtiger stellte er fest, dass ihn dieser Beruf reizte und er verpflichtete sich für die Feldwebellaufbahn.
Musikkorps Karlsruhe wurde aufgelöst
Nach seinem Musikstudium im Ausbildungsmusikkorps in Hilden wurde er wieder nach Karlsruhe versetzt. Zum Ende des Jahrzehnts zeichnete sich ab, dass es mit der Stelle zum Berufssoldaten nicht klappen wird und so bewarb er sich bei der Bundeswehrfachschule in Karlsruhe, um den Realschulabschluss nachzuholen. Zu diesem Zeitpunkt war er schon ein verheirateter Familienvater und er lebte, wie heute noch, mit seiner Familie nahe Pirmasens. Bald stellte sich heraus, dass das Musikkorps sowieso aufgelöst wird und er wäre, hätte es mit dem Berufssoldaten geklappt, in ein anderes Musikkorps versetzt worden. So absolvierte er nach der Bundeswehrfachschule eine Ausbildung im Öffentlichen Dienst und ist nun bei der Stadt Pirmasens im Beitrags- und Gebührenwesen fest angestellt.
„Es wäre natürlich toll gewesen, wenn es mit dem Berufssoldaten geklappt hätte. Aber dann wäre nur pendeln in Frage gekommen und das kam eigentlich nicht in Frage. Und deshalb sage ich heute: Alles richtig gemacht.“
2009 steckte Timo Dellweg noch in der Probierphase
Während seiner Bundeswehrzeit fing Timo Dellweg mit dem Komponieren an. 2009 steckte er noch in der Probierphase, wie er es heute nennt. „Da haben schon einige Leute erkannt, dass ich ganz gut höre und zudem Klavier spiele und die ermunterten mich dann, es zu probieren.“ Mit der Gründung der „Egerländer Rebellen“, ein Orchester, bei dem er jahrelang mitgespielt hatte, war er von Musikern umgeben, die seine kompositorischen Vorstellungen umsetzen konnten. Seine Premierennummer war da „Auf der Pfingtstwiese“ und die Zusammenarbeit mit dem Verleger Klaus Rustler begann. Der ermunterte ihn immer wieder, Vorschläge einzureichen.
Und so nahm die Kompositionskarriere von Timo Dellweg seinen Lauf. Bei den „Egerländer Rebellen“ spielt Timo Dellweg mittlerweile nicht mehr Flügelhorn. Selbst aktiv Musik machen sei derzeit nur im Musikverein seiner Frau und im Orchester „Michael Maier und seine Blasmusikfreunde“ möglich, für das er ebenso Werke komponiert. Sein Dirigat in seinem ursprünglichen Heimatmusikverein hat er auf Grund der großen Distanz zu seiner jetzigen Heimat ebenfalls aufgegeben.
Qualität statt Hingewurschtel
Wenn die Dellwegs zu Viert sind, entsteht also erstmal kein neuer Blasmusikhit aus Timos Feder. Denn er setzt auf Qualität und nicht auf ein schnelles „Hingewurschtel“. „Zwischendurch mal acht Minuten ins Büro zu gehen, um was aufzuschreiben, bringt nichts. Da kommt Schrott raus, das muss man im Verbund schaffen. Ich bin nicht so einer, der sich irgendwas notiert und dann in die Schublade legt. Ich habe genaue Vorstellungen und dann muss die Zeit da sein, um diese auszuarbeiten.“
Deshalb war unter anderem 2013 sein produktivstes Jahr. Da hatte Timo Dellweg viel Zeit, um sich auf die Musik und die Komposition zu konzentrieren. 2012 endete seine Militärmusikzeit und zwischen dem Abschluss der Bundeswehrfachschule und dem Beginn seiner Ausbildung waren mehrere Monate Zeit. Über einen Dutzend Stücke entstanden da – unter anderem der „Superhit“ Kaiserin Sissi. Genau zum fünften Jubiläum der „Egerländer Rebellen“.
„Das Jubiläumskonzert war in Kloster Andechs, wo ein recht gutes Video entstand, das sehr zum Erfolg beigetragen hat“, erinnert Timo Dellweg sich. Einen guten Titel machen, sei das Eine. Dann brauche man ein gutes Orchester und die Werbung müsse auch stimmen. Nach diesem Konzert verbreitete sich „Kaiserin Sissi“ rasend schnell.
One-Man-Verlagsshow
Den Namen des Marsches suchten sich die „Egerländer Rebellen“ gemeinschaftlich aus. Den Marsch gab es bereits und nach einer Werkanalyse stellten die Musiker fest, dass das Stück so viele „Auf und Abs“ hat wie das Leben der Kaiserin. Mittlerweile ist „Kaiserin Sissi“ ähnlich populär wie „Böhmischer Traum“. Auf der Polka-Hitliste des Rundel Verlages überholte „Kaiserin Sissi“ ihn zeitweise. Timo Dellweg gibt sich bescheiden: „Das spiegelt ja nur die Meinung der Rundel-Kunden wieder.“ Seit 2017 vertreibt er den Marsch über den Verlag. Zuvor gab er ihn, wie immer noch viele andere Stücke, im Eigenverlag heraus.
„Wenn man mit so etwas anfängt, ist man ja noch grün hinter den Ohren und man weiß nicht, was auf einen zukommt. Da sucht man sich einen Copyshop, dann lässt man sich ein Logo entwerfen und dann kommt immer wieder was dazu. Da hat man dann einen Musikverlag als One-Man-Show.“ 40 Kompositionen sind es etwa, die er in seinem Verlag herausgibt.
Aus diesen 40 Werken hat er sich 13 herausgesucht und sich sein ganz eigenes, spezielles Geschenk zum 40. Geburtstag und zum 10. Jahrestag seiner Kompositionsarbeit gemacht (sein erster Titel erschien 2009): Die CD „Freunde für immer“. „Das war schon immer mein Traum – darauf habe ich kräftig gespart und auf den richtigen Zeitpunkt gewartet“, erzählt Timo Dellweg. In seiner Zeit bei der Bundeswehr und in den zwölf Jahren, bei der er bei Michael Klostermann musizierte, lernte er viele wunderbare Musiker kennen, mit denen er das Album aufnehmen wollte. „Jeden, den ich gefragt habe, war von der Idee begeistert.“
Terminfindung mit vielen Musikern: Schwierige Sache
Allerdings war es das Schwierigste, all diese begeisterten Leute terminlich unter einen Hut zu bekommen. „Die Vorbereitung hat etwa eineinhalb Jahre gedauert.“ An einem Samstagvormittag im Februar 2019 kamen alle 20 Beteiligten im Vereinsheim von Dellwegs Musikverein zusammen und bis nachmittags war alles im Kasten. „Es waren sogar alle pünktlich da,“ freut sich der Komponist im Nachhinein. Auf der Besetzungsliste liest man jetzt Namen wie Alexander Wurz, Michael Maier, Mario Lorenz oder Jörg Brohm. Letzteren wollte Timo Dellweg unbedingt an der Trompete haben. „Den bekommt man aber so gut wie gar nicht ans Telefon. Der ist immer unterwegs.“
Aufnahmeleitung: Mathias Gronert
Die Aufnahmeleitung übernahm Mathias Gronert. „Da hatte ich einen Professor am Pult sitzen, der da mit Tat und Tat zur Seite stand“, lobt er auch diesen alten Freund. „Am Ende hätten wir sogar noch mehr einspielen können“. Sein Fazit: „Es gab keine technischen und keine menschlichen Ausfälle. Es war eine Traumrunde.“
Die 13 Werke des Albums sind alles Stücke, die schon existierten. Keines wurde extra für die CD komponiert. Zum größten Teil sind es Auftragswerke wie „Valentin“, das dem Sohn von Markus Maier, Gründer der „Egerländer Rebellen“ gewidmet ist. „Markus selbst hat mich beauftragt, das Stück zur Geburt zu schreiben. Das wurde dann beim Rebellen-Jubiläum uraufgeführt. Auch „Kleiner Held“ ist ein Stück zur Geburt eines Kindes. „Aus Rainer Freude“ war für einen 50. Geburtstag gedacht. „Es geht hauptsächlich um Geburten, Hochzeiten oder runde Geburtstage“, erklärt Timo Dellweg die Titel.
Tenori: Solopolka für Tenorhorn von Timo Dellweg
„Tenori“ ist eine besonders schöne Erinnerung für ihn – die Solopolka für Tenorhorn ist Joachim Ritter gewidmet. „Das war ein Kollege im Musikkorps und hat dort die Egerländer Besetzung geleitet. Er ist ein Polka-Professor und war gerade für Alexander Wurz und mich im Musikkorps eine Art Mentor. Tenori – so hat er immer die Tenorhörner gerufen.“ Alexander Wurz war es auch, der letztendlich das Solo auf dem Album eingespielt hat.
Bei dem Titel „Amelie“ hat sich Timo Dellweg zum ersten Mal an einen Gesangstext gewagt. Der Walzer ist der Tochter seines Trompeten-Freundes Robert Remmele gewidmet, der auf der CD als Flügelhornist mitwirkt. Der Gesangstext ist zwar auf dem Album nicht zu hören, aber es bleibt eine Idee für die Zukunft, mehr mit Texten zu arbeiten.
Andere Dinge neben der Sehnsucht
Aber, getreu seiner Devise, wenn dann gescheit. „Dafür braucht man Zeit. Oft sind die Texte ja immer mit demselben Hintergrund. Heile Welt und Sehnsucht. Ich will mir da schon Gedanken machen, dass es auch etwas anderes gibt.“
Ist der 40. Geburtstag so ein Punkt im Leben, wo man einen Grenzstrich zieht, wo es etwas anderes gibt oder an dem man neu anfängt? Bei Timo Dellweg ganz sicherlich und da kommt wieder das familiäre und väterliche durch: „Ich habe ja immer so Vorstellungen für die Zukunft, aber die Zeit dafür ist beschränkt. Jetzt kommt ja erst mal mein zweites Kind zur Welt und da müssen neue Pläne erstmal wieder hintenanstehen.“