Die LP-Cover sind der hauptsächliche Grund, warum ich den Text über Josef Augustin und seine Original donauschwäbische Blasmusik für die Kategorie „Traditionelle Ensembles“ ganz zu Beginn auswählte. Ich schrieb ihn 2015 für die „Mucke“ anlässlich des 50. Gründungsjahres des Orchesters, nachdem ich mit seinem Sohn und Freek Mestrini über Josef Augustin gesprochen hatte. Und wie schrieb mein Redakteur damals so trefflich in einer Bildunterschrift: „Der gelernte Fotograf Josef Augustin photoshopte seine LP-Cover, lange bevor es Photoshop gab.“
Vor über einem halben Jahrhundert übernahm Josef Augustin von seinem Vater Nikolaus die „Original Donauschwäbische Blasmusik“ und führte die Formation auf eine 15jährige Erfolgsreise, die mit dem Tod des charismatischen Orchesterleiters im Dezember 1980 endete. Das Orchester war in den 1970er Jahren ähnlich populär, bekannt und erfolgreich wie Ernst Mosch und seine Männer. Allerdings geriet Augustins Orchester zu Unrecht in den Hintergrund.
Josef Augustin wurde 1963 Leiter der Kapelle
Zugegeben: Das mit dem 50. Geburtstag der Taktstockübergabe stimmt nicht ganz. Im Internet ist 1965 angegeben, in Robert Rohrs Donauschwabenbibel „Unser klingendes Erbe“ 1964, auf einer Autogrammkarte ist sogar das Jahr 1968 verzeichnet und wenn man in einer Kurzbiografie die Geschichtsangaben ausrechnet, käme sogar 1960 raus. Letztendlich ist es wohl am besten, auf den zu hören, der es wissen muss: Josef Augustins Sohn Eduard. „Mein Vater Josef übernahm die Kapelle von seinem Vater Nikolaus 1963.“
Wahrscheinlich liegen die verwirrenden Jahresangaben daran, dass es sich nicht um eine Kapellenneugründung handelte sondern um eine fließende Übergabe, da Vater Nikolaus noch jahrelang das Tenorhorn im Orchester blies.
Geboren wurde das Ensemble schon 1870 von Josefs Urgroßvater Johann in Batsch-Sentiwan im heutigen Serbien, das ebenfalls Heimat vieler deutschstämmiger Donauschwaben war. Die Leitung ging über an Großvater Andreas und 1918 – oder 1928, auch hier gibt es unterschiedliche Angaben – an Vater Nikolaus.
Josef Augustin: Geboren am 26.9.1926
Er geriet nach dem zweiten Weltkrieg, in dem deutschstämmige Donauschwaben von Titos Volksbefreiungsarmee vertrieben wurden, in sowjetische Kriegsgefangenschaft und musizierte sogar dort, um nicht ganz in der Hoffnungslosigkeit zu versinken. Nach dem Krieg ließ sich die Familie Augustin in Karlsfeld bei München nieder und Nikolaus ließ das Orchester mit seinen Söhnen Andreas und Josef, der am 26.September 1926 in Batsch-Sentiwan zur Welt kam, wieder aufleben.
Natürlich wurde auch Kontakt zu anderen in München lebenden Donauschwaben aufgebaut – so auch zu Robert Rohr, dem Pionier donauschwäbischen Musikforschung, und der „Donauschwäbischen Blaskapelle München“, in der die Augustins zunächst mitspielten und die später in „Original Donauschwaben“ umbenannt wurde.
1959 bis 1963 leiteten Nikolaus und Josef Augustin Aufnahmen im Auftrag von Robert Rohr mit donauschwäbischer Blasmusik. Schon der Walzer „Rosen der Liebe“ ist darauf zu finden. Er sollte Josef Augustins, der zahlreiche Stücke komponierte und viele alte Volksweisen arrangierte, größter Hit werden. Sein Erfolg begann mit der Übernahme des Orchesters, das bis dato noch aus Laienmusikern bestand.
„Man kann seinen kommenden Erfolg wie eine Spirale betrachten“, analysiert Eduard Augustin heute. „Die Auftritte kamen an und so kamen immer weitere dazu. Irgendwann konnte er mit den Amateuren nicht mehr weitermachen, denn so viel Urlaub hat niemand, der noch in die Arbeit geht.“ Also holte sich Josef Augustin professionelle Musiker – und die hoben das Niveau noch mehr und garantierten weiteren Erfolg. Aber auch das Erscheinungsbild des Orchesters trug aus heutigen Marketingsichten mit Sicherheit dazu bei, dass das Orchester im Laufe seines Bestand über 50 LPs aufnahm, Dauergast in Fernsehsendungen war und durchgehend vor ausverkauften Standorten spielte.
Charismatische, sympathische Erscheinung
Heute noch ist Josef Augustin auf den Fotos eine charismatische, sympathische Erscheinung. Auf den Plattencovern setzt er sich lächelnd und modisch gekleidet in Szene. Auf You Tube kann man seine Fernsehauftritte sehen, in denen er mit Mimik und Gestik mit seinem Publikum kokettiert. Josef Augustin hatte das Zeug zum Star. „Der Josef selbst, ein Mann von feinster Art und überaus sympathisch, begeisterte das Publikum durch seine typische und humorvolle Akt der Orchesterleitung“, schrieb das Darmstädter Tagblatt nach einem Auftritt in Arheilgen.
In den USA und Kanada, bei den Tourneen 1969 und 1971, begeisterten Josef Augustin und seine Musiker. In Los Angeles kamen damals 5000 Zuhörer. Eine Zeitung schrieb: „Und dann ging es los. Die Wände zitterten, ohne Übertreibung, der ganze Saal dröhnte. Wie ein Magier herrschte Josef Augustin auf der Bühne.“
Bei der Gestaltung seiner Plattencovern überließ der gelernte Fotograf nichts dem Zufall. Höchst professionell abgelichtet und gestaltet, heben sich die Umschlagbilder von denen der anderen Orchestern ab. „Die Fotos haben auch ganz oft meine Mutter Maria, die auch Fotografin war, oder ich gemacht“, erinnert sich Eduard Augustin, dem Josef das familieneigene Fotogeschäft 1979 übergab, da dieser sich nur noch auf die Musik konzentrieren wollte.
Wer aber glaubt, der Erfolg ließ Josef Augustin abheben, der irrt. „Er war ein phänomenaler Mensch, der sein letztes Hemd für seine Musiker gegeben hat. Er hat uns Profis immer mit Ehrfurcht behandelt und war besessen von ihnen. Er war unheimlich sympathisch und ich habe mich immer wohl gefühlt“, erinnert sich Freek Mestrini, der als Solotrompeter von April 1974 bis zum Schluss bei Augustin mitspielte und mit seinem dort geblasenen „Il Silenzio“ ebenfalls ein Erfolgsgarant war.
Trompeter bei Augustin: Freek Mestrini
Freek Mestrini spielte seit 1972 schon bei Ernst Mosch und seinen Egerländer Musikanten. Einen Vergleich möchte Mestrini zwischen Ernst Mosch und Josef Augustin nicht ziehen. Nur so viel: „Mosch war Profi und Musiker. Augustin ein besessener Musikant. Er verbildlichte die Tradition der Menschen aus Donauschwaben.“ Freek Mestrini war nicht der einzige Mosch-Musiker, der beim Augustin Ensemble mitspielte. Franto Linharek, Manfred Mende, Rudolf Lutze, Willi Müller oder Hans Bodenmüller – um nur einige Mosch/Augustin-Musiker zu nennen – musizierten ebenfalls regelmäßig bei Josef Augustin.
Wie beides gleichzeitig funktionierte, wird von Fans in Foren immer wieder diskutiert. Freek Mestrini erläutert: „Ende 1973 beschloss Ernst Mosch, keine Zeltgeschäfte mehr zu machen sondern nur noch die großen Frühjahrs- und Herbsttourneen.“ Freek Mestrini sprach mit Ernst Mosch, denn er brauchte auch im Sommer Auftrittsmöglichkeiten. „Und so vermittelte mich Ernst Mosch zu Josef Augustin.“
Mit auf Tour: Das Silberwald-Duo
Ab 1974 tourte der Trompeter bis 1980 in den Sommermonaten mit Josef Augustin und im Frühjahr und Herbst mit Ernst Mosch. Ab 1975 folgten ihm einige Mosch-Kollegen. „Auch Musiker von Max Greger und Hugo Strasser waren dabei“, schlüsselt Freek Mestrini die Besetzung der „Original Donauschwäbischen Blasmusik auf. Die einzigen zwei Amateure, die in den 1970er Jahren noch dabei waren, waren Vater Nikolaus, der 1982, und Bruder Andreas, der vor zwei Jahren verstarb. Ebenfalls ständig mit auf Tour ging Sängerin Erni Hornung, mit der Josef Augustin das „Silberwald-Duo“ bildete.
Mit ihr und seinen Musikern trat Josef Augustin in stets ausverkauften Hallen im deutschsprachigen Raum und in über 30 Fernsehsendungen auf. Mehrere goldene Schallplatten sowie Auszeichnungen wie die Hermann-Löns-Medaille waren die Früchte seiner Arbeit.
Josef Augustin starb 1980
Als Josef Augustin am 1. Dezember 1980 im Alter von 54 Jahren verstarb, hinterließ er eine große Lücke. Weder Sohn Eduard, der ebenfalls ab und an mit der Tuba mitspielte, noch Bruder Andreas wollten das Orchester übernehmen. „Ich sah mich nicht in der Lage, ein Profiorchester zu führen, “ sagt er heute. Freek Mestrini wurde ebenfalls gefragt, ob er es übernähme, schließlich führte der die Tournee 1980 mit Marianne und Michael noch zu Ende. „Ich bin Niederländer, ich wollte kein donauschwäbisches Orchester führen. Denn das muss im Blut sitzen.“
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